Analyse Wie die Zahl der Organspenden erhöht werden soll

Soll jeder eine Entscheidung treffen müssen? Oder wird man schon bei Untätigkeit zum Spender? Heikle Fragen und Bedenken.

Mit einem Organspendeausweis kann man sich festlegen.

Mit einem Organspendeausweis kann man sich festlegen.

Foto: Caroline Seidel

Düsseldorf. Wegen der sinkenden Zahl der Organspender sprechen die Gesundheitsminister von Bund und Ländern bei ihrem aktuellen Treffen in Düsseldorf auch über diese Idee: dass Menschen beim Beantragen eines Ausweises oder Führerscheins angeben müssen, ob sie im Fall ihres Todes Organspender sein wollen oder nicht. Wer bereit zur Organspende ist, dessen Dokument würde entsprechend gekennzeichnet. Noch weiter geht der Reformvorschlag für eine Widerspruchslösung, wie es sie in anderen EU-Staaten gibt. Dabei wird als Organspender angesehen, wer zu Lebzeiten nicht aktiv widerspricht.

In Deutschland gilt bisher: Grundsätzlich muss man selbst mit einer Organspende einverstanden sein. Wer Nein sagt (auch diese Möglichkeit bieten die gängigen Organspenderausweise), kommt als Spender nicht in Frage. Ist eine entsprechende Erklärung nicht dokumentiert, werden im Todesfall die Angehörigen befragt, ob sie im Sinn des Verstorbenen einer Spende zustimmen. Ein Verfahren, das diese in ihrer hochemotionalen Trauersituation oftmals überfordert.

Die derzeitige Rechtslage scheint neben den diversen Skandalen um manipulierte Spenderlisten Ursache für die geringe Anzahl von Organspenden zu sein. Durch eine Widerspruchslösung oder auch einen Zwang zur Entscheidung könnten die Zahlen gewiss erhöht werden.

Während mit Positivbeispielen geretteter Leben für mehr Organspenden geworben wird und die Nein-Sager sich ethisch ins Abseits gedrängt fühlen, gibt es aber auch eine Gegenbewegung, die insbesondere die Widerspruchslösung vehement ablehnt. So heißt es in dem Appell des „Bündnis gegen die Widerspruchs- und Erklärungsregelung bei Organspenden“: „In einen derart persönlichen Bereich, wie es das Lebensende ist, darf nur eingegriffen werden, wenn der Betreffende vorher umfassend und ehrlich über die Umstände einer Organentnahme aufgeklärt wurde und selbst eingewilligt hat.“ Der Hirntod sei nicht der Tod des Menschen, sondern ein Prozess im Sterben, der durch eine Organentnahme auf drastische Weise unterbrochen werde. Transplantierbare Organe würden dabei Menschen im Hirnversagen entnommen, „die beatmet werden, deren Herz schlägt, die warm sind . . . und sogar Narkose-, Schmerz- und Beruhigungsmittel erhalten“.

Das Bündnis wendet sich auch dagegen, Menschen zu zwingen, sich für oder gegen die Organspende zu entscheiden. Wenn jemand sich nicht damit befassen wolle, sei dies zu respektieren. Auch würden in Informationskampagnen für mehr Organspenden die kritischen Aspekte kaum erwähnt. Nur wer umfassend über alle Seiten der Transplantationsmedizin informiert sei, könne eine selbstbestimmte Entscheidung für oder gegen eine Organentnahme treffen. Wenn aber nicht umfassend und ehrlich über die Voraussetzungen und den Ablauf einer Organentnahme informiert werde, könne es keinen Zwang zu einer Entscheidung „Ja oder Nein“ geben.

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