Vorsorge senkt Gesundheitskosten

Die Hilfe für chronisch Kranke verschlingt mit am meisten Geld. Diese Krankheiten sind aber oft vermeidbar.

Düsseldorf. Nun sind sie da: Mit den Zusatzbeiträgen steigen für gesetzlich Versicherte die Krankenkassenbeiträge. Viele rufen nun nach Einsparungen. Tatsächlich steigen die Kosten im Gesundheitssystem stetig, vor allem die Arzneimittelkosten. Als große Kostentreiber gelten auch der medizinische Fortschritt und die steigende Lebenserwartung. Aber was ist mit der eigenen Einstellung zur Gesundheit? Wer ungesund isst und sich wenig bewegt, geht ein hohes Risiko ein.

"Mehr als zwei Drittel der gesamten Krankheitslast entfallen auf nur wenige große Krankheiten", sagt Prof. Rolf Rosenbrock vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung: "Das sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, chronische Lungen- und chronische Muskel-Skeletterkrankungen und psychische Erkrankungen." Diese Erkrankungen sind meist chronisch degenerativ, meist nicht heilbar, aber vermeidbar.

Wer auch im mittleren Lebensalter ausreichend Sport treibt, könne im Alter doppelt so häufig von kostspieligen chronischen Krankheiten verschont bleiben, ermittelten US-amerikanische Forscher. Auch das Sturzrisiko im Alter kann durch spezielles Training um etwa die Hälfte gesenkt werden, sagen deutsche Forscher - Knochenbrüche mit folgenden Hüftoperationen könnten so vermieden werden. "Mehr Lebenserwartung ist eben nicht automatisch mit mehr Krankheit verbunden", sagt Rolf Rosenbrock, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen.

Vor allem Diabetes, eine der teuersten und folgenreichsten Krankheiten, kann durch körperliche Aktivität, Ernährungsumstellung eingedämmt oder verhindert werden. Wie viel Kosten sich durch Prävention einsparen lassen, ist aber unklar. Während manche Experten den Nutzen von Prävention in Zweifel ziehen, verbindet Rolf Rosenbrock Prävention nicht nur mit mehr Medizin. "Unsere steigende Lebenserwartung und die steigende Lebensqualität ist nur zu einem Drittel auf Fortschritte in der Medizin zurückzuführen. Zu mindestens zwei Dritteln beruhen sie auf besseren Lebensbedingungen und besserer Bildung." Gesundheitspolitik müsse deshalb mehr sein als Akutversorgung.

"Mit Strafe oder nur mit Information bringt man die wenigsten Menschen dazu, dauerhaft den Lebensstil zu ändern. Wir brauchen Primär-Prävention, die vor allem in den überproportional betroffenen unteren Schichten die Menschen tatsächlich erreicht", so Rosenbrock.

So wie das Projekt "BIG" der Universität Erlangen, das seit 2002 mehrfach fortgeführt wurde und sich an Frauen in schwierigen Lebenslagen richtet. "Wir haben die Frauen im Stadtteil angesprochen und von Anfang an in den Projektaufbau einbezogen", sagt Projektleiterin Annika Frahsa.

Mehr Bewegung und bessere Ernährung für Alleinerziehende, Ausländerinnen, Arbeitslose ist das Ziel von BIG ("Bewegung als Investition in die Zukunft"), das es in Erlangen, Regensburg, Bottrop und Mecklenburg-Vorpommern gibt. Frahsa: "Wir haben wenige Abbrecher und eine Steigerung der Bewegungsaktivität."

Die bisherigen Präventionsangebote mit Bonusprogrammen sind umstritten. Rund neun Millionen Menschen von gut 70 Millionen gesetzlich Versicherten haben im vergangenen Jahr laut dem Präventionsbericht der gesetzlichen Krankenkassen die Angebote genutzt, meist überwiegend ohnehin gesunde oder gesundheitsbewusste Versicherte. Insgesamt gaben die Kassen 2008 die Rekordsumme von 340 Millionen Euro dafür aus. Über 80 Prozent sei fehlinvestiertes Geld, urteilt Rosenbrock, "weil die Kassen damit nur eine attraktive Klientel umwerben".

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