Früher Saisonstart „Tunnel-Spargel“ in der Nische

Goldbeck/Plätz (dpa) - Sobald die ersten warmen Sonnenstrahlen durch die dunklen Wolken blinzeln und den Frühling ankündigen, stellt sich für Genießer alljährlich die Frage aller Fragen: Wann gibt es den ersten Spargel?

Früher Saisonstart: „Tunnel-Spargel“ in der Nische
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Goldbeck/Plätz (dpa) - Sobald die ersten warmen Sonnenstrahlen durch die dunklen Wolken blinzeln und den Frühling ankündigen, stellt sich für Genießer alljährlich die Frage aller Fragen: Wann gibt es den ersten Spargel?

Die Produzenten des edlen Gemüses haben stets eine eindeutige Antwort parat. „Das hängt vom Wetter ab“, sagt Carmen Kalkofen, die in Cobbel in Sachsen-Anhalt, einen Spargelhof betreibt.

Üblicherweise beginne die Saison Ende April. „Wenn die Sonne scheint, mit Glück etwas früher“, berichtet die Expertin. Viele Spargelbauern helfen dem Glück ein wenig nach und sorgen mit Folie dafür, dass es den wärmeliebenden Pflanzen in ihrem Beet mollig warm ist, damit früher die begehrten Triebe sprießen. Um drei bis vier Wochen, also auf Anfang April, lasse sich der Erntebeginn so vorverlegen. Der Großteil des Kalkofenschen Spargels wird ohne solche Hilfsmittel angebaut. Denn höhere Erträge seien auch mit Folie nicht drin. „Spargel hat seine Kapazität. Wer früher sticht, muss auch eher aufhören“, sagt Kalkofen.

Klaus Heinl hat sich diese Binsenweisheit zunutze gemacht, um anderen zuvor zu kommen und den ersten Spargelheißhunger der Verbraucher zu stillen. Seit 18 Jahren führen der gebürtige Franke und seine Ehefrau Martina im altmärkischen Plätz ihren Spargelhof. Es ist einer der größten der Region. Wenn am 25. April auf Gut Plätz der erste Freilandspargel geerntet wird, ist dort ein Teil der Saison bereits gelaufen. Auf fünf von insgesamt knapp 60 Hektar Anbaufläche hat die Spargelernte dort bereits am 6. März begonnen.

Möglich macht das ein spezielles Anbausystem. Mit einer eigenen Innovation hilft Heinl der Natur damit ein wenig nach. Zu tief lässt er sich nicht in die Karten gucken. Aber so viel verrät er: Einige seiner Beete sind nicht nur durch Zelt-Tunnel vor den Unbilden der Witterung geschützt, sondern auch beheizt und werden zudem automatisch bewässert. Die Wärmeenergie liefert ein eigenes Biomassekraftwerk.

Der „Tunnel-Spargel“ wird dem Landwirt förmlich aus den Händen gerissen. Sein Telefon steht kaum still. Handelsketten und Supermärkte wollen Ware ordern. Privatkunden, die es gar nicht mehr abwarten können, das edle Gemüse endlich aus heimischen Landen auf den Teller zu bekommen, rufen an. Sie sind bereit, dafür aktuell zehn bis zwölf Euro für ein Kilo auf den Verkaufstisch zu legen. In einigen Geschäften liegt Spargel zwar schon seit Wochen in den Regalen. Der stammt allerdings meist aus warmen Gefilden wie Südamerika und hat eine halbe Weltreise hinter sich.

Qualität und Frische sowie motivierte Mitarbeiter sind für Heinl das A und O, um auf dem hart umkämpften Markt zu bestehen. Er bezahlt daher seine Saisonarbeiter über dem Mindestlohn. In der Branche herrsche ein Verdrängungswettbewerb, berichtet der mittelständische Unternehmer. Importware und Dumpingpreise von Großunternehmen würden den kleineren Produzenten das Geschäft verderben. „Aus dem Edelgemüse ist eine Ramschgustel geworden“, klagt er.

Nicht ganz so dramatisch sieht André Stallbaum die Lage. Trotz des starken Konkurrenzdrucks sei „Spargel noch immer ein Produkt, das seinen Umsatz bringt“, sagt der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Stendal, selbst Obst- und Gemüseproduzent. Die heimische Branche habe in zurückliegenden Jahren Herausforderungen wie die Einführung des Mindestlohnes gut verkraftet. „Es stimmt nicht, dass Spargel dadurch teurer geworden ist“, wendet er sich gegen ein seiner Meinung nach weit verbreitetes Vorurteil.

Trotz vieler technischer Verbesserungen im Anbau bleibe die Spargelernte Handarbeit, die ohne fleißige Helfer nicht machbar sei. Während viele Jahre lang die meisten Saisonkräfte auf den altmärkischen Spargeläckern aus Polen kamen, seien es heute hauptsächlich Rumänen. Aber auch für Deutsche sei der Job, nicht zuletzt dank Mindestlohn, wieder attraktiv, erklärt Stallbaum.

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