Traumatherapie nicht zu früh beginnen

Dahn (dpa/tmn) - Sexueller Missbrauch, massives Mobbing oder ein Verkehrsunfall: Solche traumatischen Erlebnisse können einen Menschen nachhaltig verstören. Manche brauchen danach eine Therapie.

Damit sollten Traumapatienten aber nicht zu früh beginnen, erklärt Matthias Heidt. „Der Hauptgrund gegen eine zu frühe Therapie ist, dass noch nicht sicher gestellt ist, ob die Selbstheilungskräfte des Betroffenen anspringen“, sagt der niedergelassene Psychotherapeut aus Dahn in Rheinland-Pfalz. „Man sollte etwa ein bis zwei Monate abwarten, um zu sehen, wie der Patient mit der traumatischen Situation umgeht.“

Vor einer Therapie muss Heidt zufolge geklärt sein, dass ein Betroffener keinen weiteren traumatisierenden Ereignissen ausgesetzt ist. Außerdem sollte er in einem einigermaßen sicheren sozialen Rahmen verankert sein.

Dann sollten drei wesentliche Punkte überprüft werden: mögliche psychologische Begleiterkrankungen, die emotionale Stabilität des Patienten und seine innere Einstellung. Eine Therapie könne schädlich sein, wenn der Traumatisierte beispielsweise unter einer Psychose leidet. „Er bewegt sich dann häufig in einer Wahnwelt.“ Die emotionale Erregung während der Behandlung könne Symptome der Grunderkrankung verschlimmern.

Außerdem sollte sich der Patient selbst stabilisieren können, erläutert der Psychotherapeut. „Wenn ihn die Gefühle überfluten, darf er nicht zusammenbrechen.“ Atem- oder Fokussierungstechniken zu trainieren, hilft zum Beispiel gegen die Panikgefühle, die während der Konfrontation mit dem Trauma aufkommen können. „Im schlimmsten Fall erlebt der Patient das traumatische Erlebnis sonst noch einmal.“ Statt einer Bewältigung folgt dann eine Retraumatisierung. „Für eine Auseinandersetzung müssen Traumatisierte lernen, schnell wieder in die Realität zurückzukommen.“

Auch die innere Einstellung ist wichtig: „Wenn die Krankheit einen Vorteil bringt, wird es schwierig“, sagt Heidt. Manche Patienten hätten kein Interesse, schnell wieder in den Beruf zu finden. „Zum Beispiel, wenn ich einen blöden Dienstleiter oder schlechte Arbeitszeiten hatte.“ Die Frage sei, wie der Betroffene an die Therapie herangeht - gegen den Willen seien die Erfolgsaussichten gering.

Nicht jeder Mensch, der etwas Traumatisches erlebt hat, müsse eine Therapie machen, erläuterte Heidt. Bestimmte Strategien können helfen, das Erlebte aus eigner Kraft zu bewältigen. „Es ist wichtig, regelmäßig aufzustehen, den Tag nicht im Bett zu verbringen und soziale Kontakte zu knüpfen.“ Traumapatienten seien aber nicht alle gleich: „Manche ziehen sich zum Beispiel in die Natur zurück.“ Wellness, Bewegung und Entspannung täten dem Körper gut und förderten die Selbstheilungskräfte. „Man wird stabiler, man kommt in den Alltag zurück, man handelt wieder selbstbestimmt - das ist wichtig.“

Ob eine Therapie nötig ist, hänge vom subjektiven Erleben Ereignisses ab, sagt Heidt. „Je heftiger das Ereignis, umso eher entsteht eine Traumafolgestörung.“ Wiederholte, durch Menschen verursachte Verletzungen seien tendenziell belastender. „Geiselhaft und Folter zum Beispiel sind schlimmer als eine Überschwemmung.“ Ob ein Betroffener eine Therapie beginnt, müsse er aber selbst entscheiden.

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