„Stayin' Alive“: Musik im Kopf hilft beim Wiederbeleben

Köln (dpa/tmn) - Angst und Unsicherheit halten viele davon ab, im Notfall Erste Hilfe zu leisten. Dabei ist dies das Einzige, was sie falsch machen können: gar nicht zu helfen. Mit Musik im Kopf lässt sich die Nervosität in so einer Situation in den Griff bekommen.

Beim Wiederbeleben eines Bewusstlosen hilft es, an bestimmte Songs zu denken. Dann ist es leichter, bei der Herzdruckmassage den richtigen Rhythmus einzuhalten. Bekanntestes Beispiel dafür ist der Refrain des Bee-Gees-Hits „Stayin' Alive“. Aber auch „Dancing Queen“ von Abba oder „Like A Prayer“ von Madonna geben Ersthelfern den passenden Takt vor. „Es geht darum, Bilder im Kopf zu haben, die es einem ermöglichen, auch bei großer Aufregung das Richtige zu tun“, sagt Prof. Bernd W. Böttiger von der Universitätsklinik Köln. So helfe es auch, sich Lieder mit dem richtigen Rhythmus vorzustellen oder sie mitzusummen.

Gemeinsam ist den Songs, dass sie zwischen 100 und 120 Beats pro Minute (BPM) haben. In Studien habe sich gezeigt, dass mit der Frequenz von 100 bis 120 Druckbewegungen pro Minute oder etwa zweimal pro Sekunde der beste Blutfluss durch das nicht mehr pumpende Herzen eines Bewusstlosen erreicht werden kann, erläutert Böttiger. Die BPM in „Stayin' Alive“, „Dancing Queen“ und „Like A Prayer“ liegen bei 100.

„'Stayin' Alive' hat den Charme, dass der Titel reflektiert, worum es bei der Wiederbelebung geht“, erläutert der Sprecher des Arbeitskreises Notfallmedizin in der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin. „Nicht so charmant ist 'Highway To Hell' von AC/DC, aber auch das hilft - und bei einem Hells-Angels-Mitglied wäre es vielleicht gar nicht so unpassend.“ Bei dem Song sind es sogar 116 BPM.

Doch egal, welches Musikstück mit 100 bis 120 BPM der Ersthelfer womöglich im Kopf hat - das Wichtigste sei, dass er überhaupt hilft. „Man muss seine Ängste zur Seite legen und sich auch nicht sorgen, dass man zu tief drückt“, beruhigt Böttiger. „Unsere Erfahrung zeigt sogar, dass die allermeisten den Brustkorb zu flach drücken.“ Mindestens fünf bis sechs Zentimeter oder ein Drittel seines Durchmessers sollte der Brustkorb in der unteren Hälfte eingedrückt werden. Das sei tiefer, als selbst Experten früher annahmen. „Das heißt: Im Zweifel muss man fester drücken, als man denkt“, betont der Mediziner. „Auch wenn's mal knackt: Ein Rippenbruch ist nicht schlimm, der heilt schnell wieder.“ Denn die Alternative wäre, dass der Bewusstlose stirbt.

Wenn das Herz, aus welchen Gründen auch immer, kein Blut mehr durch die Adern pumpt, stellt der Körper die Hirnfunktion ein - der Betroffene verliert das Bewusstsein. Wird er dann nicht umgehend wiederbelebt, ist sein Hirn nach fünf bis sieben Minuten unumkehrbar geschädigt. Erste Hilfe lernen könne jeder - auch jeder Schüler ab etwa der sechsten Klasse. Schätzungen zufolge ließen sich in Deutschland mindestens 10 000 Menschen vor dem plötzlichen Herztod bewahren, wenn die Bereitschaft zur Ersten Hilfe größer wäre.

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