Spermiencheck und Testosteron - Tagung zu Männergesundheit

Berlin (dpa) - Vorsorgemuffel sind viele Männer immer noch. Dabei beschäftigen ihre speziellen Leiden ein ganzes Fachgebiet der Medizin. In Berlin tagen 600 Experten zu aktuellen Aspekten der Männergesundheit.

Vom unerfüllten Kinderwunsch bis zum Herzinfarkt durch Testosteronmangel: Männergesundheit in vielen Facetten steht auf dem Europäischen Andrologenkongress (28. November bis 1. Dezember) in Berlin im Mittelpunkt. 600 Fachleute diskutieren dort über neue Erkenntnisse und Therapieansätze - zum Beispiel bei künstlicher Befruchtung. „Wenn eine Samenzelle in eine Eizelle injiziert werden soll, kommt es darauf an, das vitalste Spermium zu finden“, sagte Tagungspräsident Prof. Andreas Meinhardt am Donnerstag. Ein neuartiger Spermiencheck könnte dabei künftig helfen. Dieser und weitere Schwerpunkte des Kongresses:

Neuer Spermiencheck: Bislang wurden die Spermien vor der Injektion in die Eizelle nur unter dem Mikroskop auf ihre Beweglichkeit hin untersucht. Forscher aus Münster haben nun ein Verfahren entwickelt, mit einem Raman-Spektrometer auch die Intaktheit der DNA-Stränge der Samenzelle zu überprüfen. Dazu fixieren sie die quirlige Zelle mit Hilfe mehrerer Laser ohne sie zu schädigen - und injizieren sie anschließend in die Eizelle. „Wenn sich zeigt, dass die Baby-Take-Home-Rate sich durch das neue Verfahren auch nur um wenige Prozent erhöht, dann wird sich das schnell durchsetzen“, glaubt Meinhardt. Derzeit kommt nach 25 Prozent derartiger Spermieninjektionen (ICSI-Verfahren) ein Baby zur Welt.

Risiko schon im Mutterleib: Studien aus Finnland und Dänemark liefern neue Hinweise darauf, dass ein zu niedriger Androgenspiegel im Mutterleib bei männlichen Föten im späteren Leben Probleme bringen kann: Gesundheit und Größe der Fortpflanzungsorgane können negativ beeinflusst werden, möglicherweise droht erhöhtes Hodenkrebsrisiko. „Die sensible Phase ist die 8. bis 15. Schwangerschaftswoche“, sagt Meinhardt. Die Studien deuten darauf hin, dass die wachsende Menge an Umweltgiften wie Dioxine oder Bisphenole, die die Mutter unwissentlich aufnimmt, dafür verantwortlich sind. „Wir können das bislang aber nicht spezifizieren, ob die Menge oder vielleicht ein spezieller Mix aus Wirkstoffen schuld daran sind.“ Konkrete Hinweise für Schwangere folgern deshalb nicht daraus.

Testosteronmangel bei Dicken: Fettleibige Männer haben zu wenig Testosteron - und damit mittelbar ein höheres Herzinfarktrisiko. Das zeigen neue Forschungsergebnisse. Durch Fettleibigkeit entsteht häufig eine begrenzte Insulinresistenz, es kommt zu erhöhten unterschwelligen Entzündungswerten. Dies wiederum drosselt die Testosteronproduktion. „Wir kennen das vom hohen Fieber, auch das wirkt sich negativ auf die Fruchtbarkeit aus“, beschreibt Meinhardt. Fehlt aber das anti-entzündlich wirkende Testosteron, wird auch das Herz-Kreislauf-System anfälliger. „Die Wahrscheinlichkeit für einen Herzinfarkt ist erhöht.“

Unfruchtbar - warum? Die Ursachen für Unfruchtbarkeit sind auch beim Mann vielfältig - aber manche Gründe werden unterschätzt oder nicht erkannt. So machen Infektionen und Entzündungen im Urogenitalbereich immerhin ein Zehntel der Fertilitätsprobleme beim Mann aus, berichtet Prof. Wolfgang Weidner, ebenfalls Tagungspräsident. Die Samenzell-Produktion, aber auch die Durchgängigkeit der Samenwege und die Fruchtbarkeit der einzelnen Spermien könnten dadurch leiden - Hilfe verspricht eine spezielle Antibiotika-Therapie. Gute Neuigkeiten auch für Männer mit Hoden-Krampfadern, der zweithäufigsten Ursache für Unfruchtbarkeit. Studien untermauern, dass eine Operation oft Erfolg - sprich: ein Baby - bringt.

HIV-Positiv mit Kinderwunsch: Erfreuliche Studienergebnisse für Männer mit HIV, die sich ein Kind wünschen. Auch unter retroviraler Therapie, die die Viruslast unter die Nachweisgrenze senkt, ist die Fruchtbarkeit der Betroffenen offenbar nicht eingeschränkt. „Sämtliche Samenparameter waren völlig normal“, berichtet Androloge Weidner. 80 Prozent der Männer zwischen 18 und 52 Jahren in der untersuchten Kohorte hätten den Wunsch nach einem Kind geäußert. „Früher dachten die Betroffenen nicht daran, angesichts der längeren Lebenserwartung ist das jetzt anders.“

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