Schlechte Noten fürs Schulessen

Ernährung: Bislang gibt es keine Qualitätsstandards. Aus Kostengründen wird oft Minderwertiges serviert.

Düsseldorf. Ein Mittagessen in der Turnhalle, serviert wird Tiefkühlpizza. Das ist Ganztagsschul-Realität, und zwar in Düsseldorf. Ein Fall, sicher nicht der einzige. Denn gutes, gar selbst gekochtes Essen ist die Ausnahme an deutschen Ganztagsschulen. "Die Qualität des Schulessens ist bisher eher schlecht", sagt Holger Pfefferle, Leiter des Projektes "Schule + Essen = Note 1" der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), das zur der Kampagne "Besser essen. Mehr bewegen. Kinderleicht" des Bundesverbraucherschutzministeriums gehört.

Der rasante Ausbau der Ganztagsschulen - von 2002 bis 2006 hat sich ihre Zahl verdoppelt - fällt zusammen mit einer schwindenden Esskultur in den Familien und zunehmendem Übergewicht vieler Kinder. Die Mittagsverpflegung an der Ganztagsschule sei "deshalb eine riesige Chance", sagt Gunther Hirschfelder, Privatdozent für Volkskunde an der Uni Bonn, und zwar in dreifacher Hinsicht: Kindern gesundes Essen nahezubringen, gleichzeitig den³ Spaß an gemeinsamen Mahlzeiten zu vermitteln und ein Verständnis für Landwirtschaft und Essenszubereitung zu wecken.

Doch Vorschriften, wie das Schulessen aussehen sollte, gibt es nicht. "Alles in Deutschland ist reglementiert, aber dieses wichtige Thema hat man der absoluten Beliebigkeit überlassen", kritisiert Otto Geisel, Vorsitzender von Slow Food Deutschland. Denn zuständig für die Auswahl des Essens ist der Schulträger. Und der sei, so Holger Pfefferle, oft überfordert und nur unzureichend informiert: "Da werden oft kostengünstige Anbieter genommen, die das Essen bis zur Ausgabe stundenlang warm halten oder nur Fast Food anbieten, damit der Umsatz gewährleistet ist." Folge: Bei Pfefferle melden sich "viele, wenn es zu spät ist: frustrierte Eltern oder Schulen, die mit dem bestehenden Vertrag unglücklich sind".

Dabei könnte sich jeder Schulträger vor der Auftragsvergabe gut beraten lassen - nicht nur bei der DGE. Ein Vorreiter in Sachen Beratung ist Berlin: Hier unterstützt die "Vernetzungsstelle Schulverpflegung Berlin" bereits seit 2003 viele der über 400 Ganztagsschulen bei der Einführung oder Verbesserung des Mittagessens.

Auch die Politik hat das Problem erkannt. Im Auftrag von Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer entwickelt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung derzeit "Qualitätsstandards für die Schulverpflegung". Dazu gehören die Lebensmittelauswahl (viel Getreide, Gemüse Obst, Milchprodukte), Pädagogik (die Verknüpfung von Ernährungserziehung und Verpflegung), Nachhaltigkeit (mindestens zehn Prozent Bioprodukte) und vor allem das Qualitätsmanagement. Ab September sollen die Schulen in Form von Checklisten Instrumente zur Qualitätsprüfung in die Hand bekommen.

Vor allem aber müsse das Essen in den Unterricht eingebaut werden, fordern Experten. "Lehrer können Ernährungsgewohnheiten nicht von heute auf morgen ändern", sagt Dr. Mathilde Kersting vom Forschungsinstitut für Kinderernährung. "Aber sie können als Vorbild auftreten und mit den Schülern gemeinsam essen."

Kosten Wie teuer darf ein Schulessen sein? 2,50 Euro kostet eine Mittagsmahlzeit an einer deutschen Schule im Schnitt und längst nicht alle Ganztagsschüler nehmen daran teil. Es ist keine Pflicht und vielen Eltern sind die Kosten zu hoch. Das liege auch an Hartz IV, so der Bundesverband der Verbraucherzentrale in seinem Dossier "Tafel-Freuden".

Qualität Das Essen billiger zu machen, sei aber der falsche Weg, meint Holger Pfefferle von der DGE: "In den 2,50 Euro sind die Lebensmittelkosten enthalten, aber auch Personalkosten und Steuern. Unter zwei Euro kann man kein gutes Essen anbieten. Qualität hat ihren Preis, auch das gehört zu unserer Botschaft." Wer das nicht bezahlen könne, sollte vom Staat Unterstützung erhalten. Beispiele dafür gibt es: Einige Schulen haben Fonds aufgelegt, um sozial schwachen Eltern einen Teil des Essensgeldes zu bezahlen. Auch Schulfördervereine springen ein. Rheinland-Pfalz subventioniert das Schulessen mit einer Million Euro, die jährlich in einen Sozialfonds für bedürftige Eltern fließen.

NRW Ähnliches plant auch NRW-Ministerpräsident Rüttgers, der sich zudem im Bundesrat dafür einsetzen will, für Kinder aus Hartz-IV-Familien die Regelsätze für das Mittagessen zu erhöhen.

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