Licht ins Dunkel bringen - Nachtblindheit behandeln

Heilbronn (dpa/tmn) - Nachts sind alle Katzen grau, heißt es. Manch einer sieht bei Dunkelheit aber nicht einmal mehr die Katze. Dahinter kann eine Nachtblindheit stecken. Behandelbar ist dieses Problem nur in einigen Fällen - und setzt eine sorgfältige Diagnose voraus.

Beim Autofahren in der Dämmerung oder Dunkelheit fällt es oft als erstes auf: Schilder lassen sich kaum noch erkennen oder plötzlich und unerwartet fährt ein anderer Wagen dicht voraus. Wenn das Sehen bei Nacht oder an trüben Herbst- und Wintertagen schwerfällt, dann hält das manch einer zunächst für eine Alterserscheinung und versucht, sich damit zu arrangieren. Die verminderte Sehfähigkeit kann jedoch Begleiterscheinung einer Erkrankung oder ein Symptom für Nachtblindheit sein.

Saubere Scheiben und ein Nachtsichtassistent können zwar das Sehen im Straßenverkehr verbessern und so zu mehr Sicherheit beitragen. Die Sehfähigkeit der Augen ersetzen sie jedoch nicht. „Diese sollte regelmäßig - ab dem vierzigsten Lebensjahr jährlich - untersucht werden“, rät Jacqueline Lacroix vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) in Bonn. Grundsätzlich empfiehlt sich der Gang zum Augenarzt, wenn sich das Sehvermögen verändert.

„Typische Situationen, über die Patienten mit Nachtblindheit klagen, sind: Sie kommen von der Straße in ein Kaufhaus und müssen am Eingang stehen bleiben, weil sie nichts sehen. Oder: Wenn es dämmrig wird, hat jemand das Gefühl, tasten zu müssen, während sich andere Leute noch ganz ungestört bewegen können“, sagt Prof. Lutz Hesse, Direktor der SLK-Augenklinik in Heilbronn. Dann liegt der Verdacht nahe, dass die Stäbchen auf der Netzhaut beschädigt sind.

„Diese Sinneszellen sind für die Unterscheidung zwischen hell und dunkel zuständig und werden gebraucht, wenn es dämmrig wird oder wenn wir aus einem hellen in einen dunklen Raum kommen“, erläutert Georg Eckert vom Berufsverband der Augenärzte Deutschlands. Voll funktionsfähige Stäbchen sorgen dafür, dass sich das Auge den neuen Lichtverhältnissen anpasst. Diese sogenannte Dunkeladaptation dauert auch beim gesunden Auge eine Weile. Sind die Stäbchen beeinträchtigt, kommt es zu ausgeprägten, anhaltenden Sehstörungen bis hin zur Blindheit.

Der Augenarzt kann mit verschiedenen Methoden und Geräte den Ursachen für eine Störung der Stäbchen auf den Grund gehen. Er testet unter anderem die Sehschärfe, die Anpassungsfähigkeit des Auges und die Blendungsempfindlichkeit. Im einfachsten Fall stellt sich heraus: Der Patient hat einen kleinen Sehfehler, der möglicherweise bei guten Lichtverhältnissen nicht weiter auffällt, bei Dämmerung oder Dunkelheit jedoch deutliche Probleme bereitet. „Dann können eine Brille oder Kontaktlinsen rasch Abhilfe schaffen“, sagt Eckert.

Bei der Diagnose geht es auch um die Frage, ob der Patient unter anderen Krankheiten leidet. „Sehr oft sind Schädigungen der Stäbchen die Folge oder Begleiterscheinung von Erkrankungen wie erheblicher Kurzsichtigkeit oder Grünem Star“, erklärt Hesse. Auch die Einnahme bestimmter Medikamente kann die Stäbchen schädigen.

„Bei uns sehr selten ist Nachtblindheit durch Vitamin-A-Mangel“, sagt Hesse. Eine gesunde Ernährung stellt im Normalfall sicher, dass der Körper ausreichend viel Vitamin A bekommt. Wichtige Lieferanten dafür sind Fisch, Fleisch und Eier. Karotten und Tomaten enthalten den Vorläufer des Vitamins, das Beta-Carotin. Allerdings kann eine Aufnahmestörung des Darmes, eine Erkrankung der Bauchspeicheldrüse, der Leber oder der Galle dafür verantwortlich sein, dass das zugeführte Vitamin A im Körper nicht aufgenommen oder verwertet werden kann. Ein Bluttest schafft hier Klarheit.

All diese erworbenen Formen einer Sehstörung bei Dunkelheit beginnen meist schleichend und von den Patienten unbemerkt, häufig zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. „Ist die Diagnose gestellt, dann kann nur die ursächliche Erkrankung behandelt werden“, sagt Eckert.

Es gibt jedoch auch angeborene Formen. So ist Nachtblindheit etwa ein Symptom von Retinopathia pigmentosa. Sie wird in vielen Fällen vererbt. Bei dieser Erkrankung werden die Stäbchen mit der Zeit zerstört. „Diese echte Nachtblindheit ist nicht behandelbar“, erklärt Eckert. Unter anderem klärt der Arzt ab, ob in der näheren Verwandtschaft - besonders bei den Eltern - eine Nachtblindheit vorkommt. Erkrankte Eltern können mit einem Gentest feststellen lassen, ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit sie die Erkrankung an ihre Kinder weitergeben werden.

Unabhängig von der Ursache stehen Betroffene vor ähnlichen Problemen, zum Beispiel im Straßenverkehr. „Die meisten Verkehrsteilnehmer, die sich bei Dunkelheit unsicher fühlen, schränken ihren Radius von alleine ein und meiden irgendwann nächtliche Fahrten“, beobachtet Verkehrsexpertin Lacroix. Für Fußgänger bietet sich an, Begleitung zu suchen. „Für kurze Wege kann auch eine Taschenlampe hilfreich sein“, schlägt Hesse vor. Bei mehr Licht werden nämlich nicht die Stäbchen, sondern andere Sinneszellen auf der Netzhaut, die Zapfen, zur Bildwahrnehmung genutzt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort