Eine Frage der Beere - Deutsche bleiben Obst-Muffel

Berlin (dpa) - Eine Messe des Fruchthandels ist eine andere Welt: Clementinen heißen Easy Peeler, es gibt lila Aprikosen und Kiwis mit essbarer Schale. Ob das den Verbrauchern Appetit macht?

Die Tigeraprikose, das ist wieder so ein Versuch. Hellrote Schale, gestreiftes Fruchtfleisch - schwarz und violett gibt's auch. Jahr für Jahr tragen Erzeuger abenteuerliche neue Kreationen nach Berlin, die den Deutschen endlich mehr Lust auf Obst und Gemüse machen sollen. Vergebens. Der Absatz stagniert. Bei der Messe Fruit Logistica, dem Branchentreffen der Produzenten und Händler, zeigt sich aber auch: Was die Kunden wirklich wollen, ist hierzulande schwer zu bekommen. Und mehr bezahlen wollen die Verbraucher auch nicht.

650 Gramm Obst und Gemüse pro Kopf und Tag empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung - die Deutschen schaffen demnach gut die Hälfte, unteres EU-Mittelfeld. Das führte 2012 zu 2,8 Millionen Tonnen verkauftem frischen Gemüse und 3,5 Millionen Tonnen Obst. Die Zahlen der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft sind weitgehend konstant. Zuwächse gibt es allenfalls noch bei Tiefkühlkost.

Da geraten die sonst nüchternen Marktforscher der GfK schon ins Schwärmen über „imposante Wertschöpfung“, wenn mal Nischenprodukte wie Heidelbeeren und Himbeeren zweistellig wachsen - so wie 2012. Denn dafür zahlt der Kunde drei Mal so viel wie etwa für Erdbeeren.

Doch das ist die Ausnahme, und hier liegt für Dieter Krauß das Problem. Die übermächtigen Supermarkt- und Discountketten verramschten den Großteil des „grünen Sortiments“ in regelrechten Preisschlachten, schimpft der Großmarktchef vom Fruchthof Berlin. Auch die Vielfalt der einzelnen Arten bleibe im Verborgenen, sagt Robert Broadfoot, der Verleger des „Fruchthandel Magazins“ und verweist auf eine Branchenstudie. „Die Verbraucher denken: „Eine Banane ist eine Banane, und ein Apfel ist ein Apfel.“

Dem Berliner Großmarktchef bleibt nur die Warnung: „Kost nüscht, is ooch nüscht.“ Plakate und mehr Beratung im Supermarkt durch neue „Fachkräfte für Obst & Gemüse“ sollen nun die Verbraucher daran erinnern, wie gesund und lebenswichtig Obst und Gemüse sind. Mehr Mittel hat die Branche nicht, die Krauß als Präsident des Fruchthandelsverbands führt. Sie kann beispielsweise bei Äpfeln und Tomaten kaum Marken etablieren, für die Kunden dann etwas mehr bezahlen - zu verschieden seien Herkunft und Qualität der Früchte.

Und bei neuen Trends hinkt die Branche hinterher: Biogemüse und -obst müssen tonneweise importiert werden, weil hierzulande zu wenige Betriebe auf Bio umstellen. Und regionale Ware geben deutsche Plantagen und Äcker nur begrenzt her - dafür sind hier die Sommer zu kurz. 80 Prozent des Obstes und 60 Prozent des Gemüses kommen nach Branchenangaben aus dem Ausland in deutsche Geschäfte.

In Berlin sind die neuesten Blüten zu sehen, die der Erfindergeist der Branche treibt: Nergi heißt etwa eine winzige Kiwi-Züchtung von der Größe einer Traube - verzehrbar samt Schale. Flower Sprout, eine grün-purpur gemusterte Kreuzung aus Rosen- und Grünkohl soll auch jungen Essern Gemüse schmackhaft machen.

Dass ein Jugendlicher über den Berliner Alexanderplatz trottet und in einen Apfel beiße statt in einen Burger, und dass er das auch noch cool finde, das möchte er noch erleben, sagt Dieter Krauß. Momentan ist das selten: Nicht einmal jeder zweite Schüler isst nach einer aktuellen Umfrage der DAK täglich Obst, beim Gemüse ist es nur jeder Dritte. Die Krankenkasse feiert schon das als gutes Ergebnis.

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