Hühnerfett statt Olivenöl Die Spitzenküche sucht Qualität vor Ort

Düsseldorf (dpa/tmn) - Der norwegische Koch Esben Holmboe Bang hat sich bei einem Bauer eine Kuh gemietet. Jeden Morgen, so erzählt er auf der Bühne der „Chef-Sache“, dem Treffen der Avantgarde-Küche in Düsseldorf, bekommt er Milch nur von seiner Rosa.

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Die fette Milch lässt er mit Salz stocken und stellt fest, wie ein Häppchen mit dem weichen Käse je nach Futter und Jahreszeit schmeckt. „Und ist die Kuh gut drauf, schmeckt es besser.“

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Überall in der Welt suchen Spitzenköche beste Produkte aus der eigenen Region und der aktuellen Jahreszeit für neue Kreationen. Vladimir Mukhin vom Restaurant „White Rabbit“ in Moskau lässt besondere Tomaten auf einer eigenen Farm züchten. Thomas Dorfer aus Österreich nutzt das Heu vom Hof seiner Mutter für seine Almheu-Panna-Cotta.

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Noch konsequenter ist der Ansatz von jungen Köchen in Berlin: Die vier Restaurants „Einsunternull“, „Ernst“, „Horváth“ und „Nobelhart & Schmutzig“ haben sich als „Die Gemeinschaft“ zu einer engen Kooperation entschlossen. In Düsseldorf veröffentlichten sie unter dem Beifall des Fachpublikums ein Manifest, das mit scharfer Kritik beginnt: „Wir geben uns nicht mit dem Mittelmaß einer Lebensmittel- und Agrarindustrie zufrieden, die eine mittelmäßige Kulinarik und Esskultur mit sich bringt und unsere Märkte, Küchen und Restaurants mit mittelmäßigen Lebensmitteln überschwemmt.“

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Die Partner der „Gemeinschaft“ kochen nach dem Motto von „Nobelhart & Schmutzig“ radikal regional: Sie suchen nicht nach den besten Tomaten aus warmen Regionen, sondern fördern den Anbau von Sorten, die in die Umgebung von Berlin passen. Sie stehen mit ihrem Lieblingsbauer im engen Dialog über Produkte.

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Das geht so weit, dass der aus Österreich stammende Koch Sebastian Frank im „Horváth“ kein Olivenöl verwendet, weil er dazu „keine emotionale Wärme aufbauen kann“. Er nimmt lieber das Fett von gekochten Hühnern.

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Frank präsentierte seine Philosophie zusammen mit Andreas Rieger vom „Einsunternull“: Eine Aubergine für das Dessert ähnelt nach dem Dämpfen mit Minze und Läuterzucker einer reifen Honigmelone. Sie wird mit Fichtennadel-Eis und Sellerie-Vinaigrette serviert. „Für ungeübte Esser ist das manchmal schwierig“, sagt Rieger.

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Staunend vernimmt das Fachpublikum der „Chef-Sache“, welche regionalen Zutaten in anderen Ländern verwendet werden. Auch wegen des Handelsboykotts gegen Russland ist Vladimir Mukhin für sein riesiges 200-Tische-Restaurant in Moskau auf Spezialitäten des Landes angewiesen. Er arbeitet unter anderem mit fermentiertem Schwan und Elchzungen.

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En vogue ist Bienenwachs: Dorfer parfümiert zum Beispiel Milch damit, um Eis und Panna Cotta herzustellen. Der Franzose Paul Pairet aus Schanghai gart Black Cod oder Kohlenfisch in einer riesigen „Kerze“, die vor dem Gast aufgeschnitten wird. Der letzte Dessert-Happen mit Pfirsich-Sahne unter einer im Trockeneis erstarrten rosa Himbeer-Halbglocke heißt „Keine Pfirsich-Melba“ und wiegt gerade mal 20 Gramm. „Eine Menge Nichts“, lacht Pairet.

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