Bei Mundgeruch weiß meist der Zahnarzt Rat

München (dpa/tmn) - Menschen mit Mundgeruch sollten zum Zahnarzt gehen. Meistens liegt in der Mundhöhle die Wurzel des Übels. Das Problem: Die Betroffenen bemerken ihren eigenen Mundgeruch nicht. Und ihr Umfeld stört sich daran, hüllt sich aber oft in Schweigen.

Sie würde sich ja gerne mit dem Kollegen, der neben ihr sitzt, unterhalten. Doch jedes Mal, wenn er spricht, muss sie sich wegdrehen. Ein ekelhafter Geruch entweicht seinem Mund, die junge Frau hält ihn nicht aus. Der Kollege selbst weiß von seinem Mundgeruch nichts. Vielleicht wundert er sich, dass sich Menschen oft so abrupt von ihm abwenden.

„Diese Gewöhnung an Gerüche ist eigentlich eine Gnade der Natur“, sagt Prof. Christoph Benz, Präsident der Bayerischen Landeszahnärztekammer in München. Wer in einem miefigen Zimmer sitzt, merkt den Geruch bereits nach kurzer Zeit nicht mehr. Verlässt man den Raum und kehrt wieder zurück, schlägt einem der Gestank förmlich entgegen. Da auch Körpergerüche ständig präsent sind, kann man sie selbst nicht wahrnehmen.

Mundgeruch ist für viele immer noch ein peinliches Thema. Benz plädiert jedoch dafür, die Betroffenen trotzdem darauf anzusprechen. Denn dieser Geruch ist nicht nur äußerst unangenehm. Er zeigt, dass etwas im Körper nicht in Ordnung ist. Die Schwefelverbindungen, die so übel riechen, sind Giftstoffe und damit alles andere als ungefährlich.

Die Betroffenen sollten baldmöglichst zum Zahnarzt gehen. Entgegen landläufiger Meinungen hat Mundgeruch meistens nichts mit Problemen im Magen-Darm-Bereich zu tun. „Laut mehrerer Untersuchungen liegen die Ursachen zu 86 Prozent in der Mundhöhle“, sagt die Zahnärztin Sigrid Weigel, die in ihrer Praxis in Berlin eigens eine Mundgeruch-Sprechstunde anbietet. Zweithäufigste Ursache sind Probleme im Hals-Nasen-Ohren-Bereich, dies ist bei etwa jedem zwölften Patienten der Fall. Möglich sind eine eitrige Bronchitis, Lungen- oder Mandelentzündungen.

„Mundgeruch ist auch gegenüber dem Arzt immer noch ein Tabuthema“, ist die Erfahrung von Udo Walter, HNO-Arzt in Duisburg. Er erlebt es immer wieder, dass Betroffene in seiner Praxis zunächst andere Beschwerden äußern und dann über Umwege auf das Thema kommen. Er kann allein vom Geruch her feststellen, in welchem Bereich des Körpers die Ursache für den Mundgeruch liegt. Bei Problemen in der Mundhöhle ist der Geruch übel, bei Krankheiten der Mandeln oder in der Nase riecht es dezenter. Bei Schwierigkeiten mit dem Magen steigt ein Fäulnisgeruch hervor. Bei Tumoren ist zum Teil ein leichter Aas-Geruch feststellbar. Es riecht wie Fleisch, das zu lange gelegen hat.

Als Erste-Hilfe-Maßnahme gegen Mundgeruch empfehlen die Experten Kaugummi. Das Kauen regt den Speichelfluss an, und Speichel ist die beste natürliche Abwehr gegen Bakterien. Mundwasser hilft nur kurz gegen den üblen Geruch. Mit solchen oder ähnlichen Mitteln langfristig erfolgreich gegen den Mundgeruch ankämpfen zu wollen, ist aber der falsche Weg. „Das wäre so, als würde man in einen stinkenden Kühlschrank Sagrotan sprühen. Man sollte lieber mal aufräumen“, rät Benz. Und das am besten gründlich.

Die Schleimhäute oder das Zahnfleisch können entzündet sein, ein Zahn kann vor sich hin faulen, schlecht gepflegte Prothesen können stinken oder Abszesse sich gebildet haben. Bei gut gepflegten Zähnen ist Mundgeruch unwahrscheinlich. Die Fachleute empfehlen Zähneputzen zweimal täglich. Der Einsatz von Zahnseide ist ebenso empfehlenswert wie eine professionelle Zahnreinigung in der Zahnarztpraxis. Außerdem sollte einmal täglich etwa 10 bis 15 Sekunden lang auch die Zunge gereinigt werden. „Das ist wichtig. Man muss sich die Zunge als einen Florteppich vorstellen, in dem die Bakterien sitzen“, erklärt Benz.

Wie viele Menschen in Deutschland an Halitosis - so lautet der Fachbegriff für Mundgeruch - leiden, ist nicht bekannt. Ebenso unbekannt ist die Zahl der Menschen, die nur glauben, Mundgeruch zu haben. „Das ist gar nicht so selten“, sagt Benz, der ebenfalls eine Mundgeruch-Sprechstunde anbietet. Diese Menschen sind sich sicher, Mundgeruch zu haben und damit andere Menschen zu belästigen.

Wenn jemand ein Fenster aufmacht, sich von ihnen abwendet oder ihnen einen Kaugummi anbietet, sehen sie das sofort als Beweis für scheinbar unangenehmen Geruch. „Diese Menschen glauben an ihren Mundgeruch, sogar wenn man ihnen mit einem Halimeter das Gegenteil beweist“, erklärt Benz. Mit einem Halimeter werden die Schwefelgase im Atem gemessen. Es zeigt also an, ob jemand Mundgeruch hat. Ein Zahnarzt kann einem Menschen mit eingebildetem Mundgeruch natürlich nicht helfen, in diesen Fällen sind Fachleute für die Psyche gefragt.

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