Zockerei oder Abzocke? Kleinanleger im Griechenland-Dilemma

Frankfurt/Main (dpa) - Griechenland ist faktisch pleite und wird seine Schulden wohl nie ganz tilgen können. Wer leiht so einem Land Geld? Deutsche Privatanleger. Nach dem Schuldenschnitt fühlen sich viele über den Tisch gezogen.

Juristen sehen Chancen auf Schadenersatz.

Der Schuldenschnitt für Athen ist vollzogen - ob Kleinanleger wollten oder nicht. Statt Traumrenditen zu kassieren, zahlen viele Anleger drauf. Anwälte sehen gute Chancen auf Schadenersatz. Hier wichtige Fragen und Antworten rund um das Thema:

Warum kaufen Privatanleger überhaupt Staatsanleihen?

Ein Wertpapier, hinter dem ein Staat steht, gilt gemeinhin als sichere Anlage. Der Bundesschatzbrief etwa, 1968 erdacht, entwickelte sich zum Bestseller. Lange Zeit üppige Zinsen - in der Spitze fast zehn Prozent - überzeugten zehntausende Anleger. In der Regel können sich Anleger darauf verlassen, dass Staatspapiere zu 100 Prozent zurückgezahlt werden - inklusive der versprochenen Zinsen.

Was ist das verlockende an Anleihen von Euro-Krisenländern?

Wer in der aktuellen Euro-Schuldenkrise Geld gewinnbringend anlegen will, ist mit Bundesanleihen schlecht bedient. Das Zinsniveau ist niedrig, extrem billiges Zentralbankgeld verdirbt die Preise für Sparer. Nach Abzug der Inflation macht im Grunde jeder, der Geld auf dem Sparbuch oder in Bundesanleihen anlegt, Verlust. Mancher Anleger lässt sich da von üppigen - teils zweistelligen - Renditen locken, die Papiere von Krisenstaaten wie Griechenland, Spanien und Italien versprechen. Griechen-Bonds genossen zeitweise fast Kultstatus: Im „Handelsblatt“ outeten sich im Mai 2010 prominente Unterstützter Athens („Wir kaufen griechische Staatsanleihen!“).

Ging die Rechnung auf?

Anlegern musste klar sein: Das Risiko, mit einer Anleihe des hoch verschuldeten Griechenland auf die Nase zu fallen, war ungleich höher als bei vergleichbaren Wertpapieren. Dazu kam auch noch ein politischer Kurswechsel. „Die Erwartung war, dass Staatsanleihen zu 100 Prozent zurückgezahlt werden. Dieses Prinzip wurde verletzt - und zwar entgegen allen Aussagen, die zuvor gemacht worden waren“, kritisierte der damalige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann im Januar. Ein „Zeit“-Redakteur bilanzierte wenig später: Er habe im Juli 2011 Griechenland-Anleihen gekauft, „im Vertrauen darauf, dass Europas Politiker nicht lügen, als sie sagten, sie würden Griechenland nicht pleitegehen lassen“. Sein Fazit: „Meine Spekulation erwies sich als erheblich riskanter, als ich dachte.“

Konnte man sich dem „freiwilligen“ Schuldenschnitt nicht entziehen?

Commerzbank-Chef Martin Blessing brachte es auf den Punkt: „Die Freiwilligkeit bei dem Ding ist ja so wie das Geständnis bei der spanischen Inquisition freiwillig war.“ Anfang März 2012 verzichteten Banken und Versicherer zähneknirschend auf den Löwenanteil ihrer Forderungen gegenüber Athen. Viele Kleinanleger traf es ebenfalls. Für Missstimmung sorgte dabei auch die Sonderbehandlung der Europäischen Zentralbank (EZB): Obwohl einer der größten Gläubiger Griechenlands, machte sie beim Schuldenerlass nicht mit und tauschte kurzerhand alte griechische Anleihen in neue Papiere. Im Grunde wurden nur die Kennnummern der Papiere geändert, um zu verhindern, dass der griechische Staat Zugriff bekommt.

Was sind Ansätze für mögliche Klagen?

Die Sonderbehandlung der EZB birgt Risiken, das räumten Anfang des Jahres selbst Notenbanker ein: „Am Ende des Tages geht es um die Frage, ob ich als Emittent einzelne Gläubiger besserstellen kann. Alles, was in diese Richtung deutet, ist rechtlich kritisch zu bewerten.“ Nach Einschätzung der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) können Besitzer von Griechen-Anleihen sich grundsätzlich auf drei Wegen juristisch gegen den Zwangsumtausch der Papiere wehren: 1. Schadensersatzklagen in Griechenland, 2. Klagen in Deutschland, 3. Schiedsverfahren zwischen Deutschland und Griechenland.

Welche Erfolgsaussichten haben Kläger?

Anwälte argumentieren, spätestens seit der Argentinien-Pleite 2002 sei bekannt, dass Staatsanleihen nicht sicher seien. Wenn eine Bank Anlegern nicht sage, dass sie im schlimmsten Fall auch bei Staatsanleihen ihren ganzen Einsatz verlieren können, hafte sie. Wer erst kurz vor dem Schuldenschnitt Geld in Griechen-Bonds steckte, um möglichst schnell möglichst viel zu verdienen, dürfte es allerdings schwer haben, Gerichte von Falschberatung zu überzeugen. Vor griechischen Gerichten zu klagen, dürfte allein wegen des Aufwands für deutsche Kleinanleger kein gangbarer Weg sein.

Dass Griechenland faktisch pleite ist und somit fraglich, woher möglicher Schadenersatz kommen soll, schreckt Anwälte nicht. Die Hamburger Kanzlei Gröpper Köpke weiß auch in diesem Fall Rat: „In einem Prozess gegen Argentinien wurde für den Gläubiger einer Argentinien-Anleihe ein argentinisches Kriegsschiff beschlagnahmt. Das bringt Millionen. Das könnte im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen Griechenland auch denkbar sein.“

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