Geigerzähler in Bürgerhand - sinnvoll oder nicht?

Hamburg (dpa) - Geigerzähler sind vielerorts ausverkauft, im Internet werden bereits hohe Preise dafür verlangt. Doch wie sinnvoll sind solche Geräte für Privatleute in Deutschland überhaupt?

Sie sind leuchtend orange, etwa so groß wie ein Handy und seit einigen Tagen gefragt wie nie. Nach den Störfällen im japanischen Atomkraftwerk Fukushima ist in Deutschland die Nachfrage nach Geigerzählern sprunghaft angestiegen. Die Zahl der Bestellungen habe sich innerhalb weniger Tage um das Zwanzigfache erhöht, sagt Milena Mirow von der Firma Gamma-Scout, einem der weltweit führenden Hersteller von Geigerzählern für den Privatgebrauch. „Wir kommen mit der Produktion nicht nach.“ Die Anfragen kämen aus Deutschland, aber auch aus Japan und den USA.

Seit 1999 stellt Gamma-Scout, ein Start-up-Unternehmen aus Schriesheim in Baden-Württemberg, die handlichen Geigerzähler her. Firmengründer Georg Dieter Mirow, früher Finanzdirektor bei der Hoechst AG, hat das Gerät an der früheren Fachhochschule Mannheim entwickeln lassen. „Die Idee ist nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl 1986 entstanden. Wir haben uns gefragt, warum es keine Messgeräte für radioaktive Strahlung gibt, die jedermann in der Schublade haben kann, um nicht allein auf Informationen der Behörden angewiesen zu sein“, sagt seine Ehefrau. Sie ist heute in dem kleinen Unternehmen unter anderem für Bestellungen und Versand zuständig.

Mehrere tausend Geräte pro Jahr habe das Unternehmen bislang weltweit verkauft, hauptsächlich an Geologen, Ärzte, Piloten und Schrotthändler, erzählt Milena Mirow. Genaue Angaben zu den Verkaufszahlen will sie nicht machen.

Auch der Messgerätehersteller Graetz aus Altena in Nordrhein-Westfalen berichtet von einer sprunghaft gestiegenen Nachfrage nach Geigerzählern. „Wir sind ausverkauft bis zur 16. Kalenderwoche“, sagt Geschäftsführer Uwe Rische. Neben Polizei, Zoll, Grenzschutz und der Nuklearmedizin kämen jetzt ganz neue Kundenkreise auf ihn zu, betont Rische. Dazu zählten Reedereien mit Schiffen in japanischen Gewässern und Japanreisende.

Strahlenschutzexperten halten solche Messgeräte für Privatleute allerdings für wenig hilfreich. Wenn der Laie nichts über die überall vorhandene Hintergrundstrahlung wisse, könne er nicht unterscheiden, ob der gemessene Wert auf diese natürliche Radioaktivität oder auf künstliche Strahlung zurückzuführen sei, sagt eine Sprecherin des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS). Auch der Strahlenschutzexperte von Greenpeace, Christoph von Lieven, hält wenig von Geigerzählern für den Privatgebrauch. „Der Wert allein sagt nicht viel über die mögliche Gefährdung aus, und mit der Interpretation sind viele Bürger vermutlich überfordert“, meint er.

Dieser Einschätzung widerspricht Milena Mirow. „Die Geräte sind einfach zu bedienen und überfordern niemanden. Wer Interesse an der Materie hat und sich ein wenig damit befasst, kann die Messwerte auch interpretieren“, findet sie. Einen ersten Anhaltspunkt könnten die Werte des „Integrierten Mess- und Informationssystems zur Überwachung der Umweltradioaktivität“ (IMIS) des Bundesumweltministeriums geben. Im Internet können die Werte der 1800 Messpunkte aus dem gesamten Bundesgebiet abgerufen werden. Angegeben wird die über den Tag gemittelte sogenannte Gamma-Ortsdosisleistung. Sie liegt je nach Standort zwischen 0,08 und 0,18 Mikrosievert pro Stunde.

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