Eine Frage der Nerven - Tarifwechsel in der PKV

Berlin/Bonn (dpa/tmn) - Privat Krankenversicherte, denen eine Beitragserhöhung droht, haben das Recht, den Tarif zu wechseln. Allerdings erfordert das Verfahren Eigeninitiative und mitunter viel Geduld.

Privat Krankenversicherte kennen das: ein Schreiben im Briefkasten, das ihnen eine Erhöhung des monatlichen Beitrags für ihre Krankenversicherung ankündigt. Doch PKV-Kunden sind den Erhöhungen nicht wehrlos ausgesetzt.

„Sie haben das Tarifwechselrecht nach Paragraf 204 des Versicherungsvertragsgesetzes“, erklärt Simone Meisel von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt in Halle. Versicherer sind verpflichtet, Betroffene darüber zu informieren, welche kostengünstigeren Tarife sie bei gleicher oder ähnlicher Leistung anbieten. Das tun sie allerdings nicht freiwillig. „Die Kunden müssen das selbst einfordern“, sagt die Verbraucherschützerin.

Aber auch auf Nachfrage bekommen Versicherte meist nur unvollständige Informationen. „Im Gesetz ist keine Mindestzahl an Alternativtarifen vorgesehen, die genannt werden müssen“, erläutert Ulrike Steckkönig von der Stiftung Warentest in Berlin. „Eher eine Höchstzahl.“ Versicherer hätten kein großes Interesse daran, das Verfahren leicht zu gestalten.

Wechselwillige müssen deshalb Geduld mitbringen. „Man muss viele Briefe schreiben und darf sich nicht abwimmeln lassen“, sagt Steckkönig. Wichtig sei, dass Versicherte die Leistungen des Wunschtarifs sehr genau mit den Leistungen des aktuellen Tarifs vergleichen. Wer sich das selbst nicht zutraut, sollte die professionelle Hilfe eines unabhängigen Beraters in Anspruch nehmen. Die arbeiten entweder gegen Honorar oder für eine Erfolgsprämie im Falle des Wechsels.

Wichtig zu beachten: Die Gefahr von Leistungseinbußen sei beim Tarifwechsel relativ groß, warnt Stefan Albers, Präsident des Bundesverbands der Versicherungsberater in Bonn. „Als Alternative bekommt man nämlich in der Regel Einstiegstarife präsentiert.“ In denen seien häufig Begrenzungen hochwertiger Leistungen versteckt, wie Zahlungen für Psychotherapie oder Zahnersatz. „Für Laien ist das sehr schwer zu beurteilen.“ Schon weil viele gar nicht wüssten, welche Leistungen ihr bestehender Tarif bietet.

Findet ein Kunde trotz allem einen günstigeren Tarif, werde oft versucht, ihm den Wechsel mit einem Risikozuschlag zu verderben. Dieser monatlich fällige Betrag werde mit den bisher eingegangenen Rechnungen begründet. „Damit ist die Reduzierung des Tarifbeitrags wieder dahin“, so Albers. Gut informierte Versicherte können sich aber gegen solche Zuschläge wehren.

Am häufigsten seien ältere Versicherte betroffen, deren Tarif hochwertige Leistungen bietet, etwa die Unterbringung im Einzelzimmer. „Die höchsten Beitragssteigerungen finden bei guten Tarifen statt, die vor etwa 20 Jahren abgeschlossen wurden“, sagt Albers. Der Wechsel zu einem anderen Anbieter ist für diese Versichertengruppe in den allermeisten Fällen überhaupt keine Option. Ihnen gehen dann die angesammelten Altersrückstellungen verloren, mit denen die hohen Beiträge im Alter abgefedert werden.

Es gebe zwar noch die Möglichkeit, die Selbstbeteiligung zu erhöhen, allerdings rät Ulrike Steckkönig hier zur Vorsicht. „Ist der Selbstbehalt eingerichtet, kann er später nicht mehr gesenkt werden.“ Außerdem steigt er bei jeder zukünftigen Beitragsanpassung mit, und Versicherer haben das Recht, ihn von sich aus zu erhöhen. „Wenn man davon ausgeht, dass der Krankheitsfall eintritt und die Kunden die Selbstbeteiligung zahlen müssen, ist das reine Kosmetik am monatlichen Beitrag.“

Zwar gibt es keine genauen Zahlen darüber, wie lang das Verfahren im Schnitt dauert. Wechselwillige Privatversicherte sollten sich aber auf ein Geduldsspiel gefasst machen. Manchmal klappe es innerhalb weniger Wochen, aber Steckkönig kennt auch Fälle, in denen es drei Jahre gedauert haben soll. Als Faustregel gilt: Je schwerer der Anbieter den Wechsel gestaltet, desto besser ist der Tarif für den Kunden. „Wenn es reibungslos läuft, muss man sich dafür fragen, ob man wirklich den optimalen Tarif gefunden hat.“

Wer sich schlecht informiert und beraten fühlt, sollte den Vorstand der Versicherung anschreiben oder sich an den dortigen Ombudsmann wenden. Als letzte Maßnahme sei auch eine Beschwerde bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht möglich.

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