Viele Ehen zerbrechen an zu hohen Erwartungen

Wiesbaden (dpa) - Sandra Bullock hat sie hinter sich, Scarlett Johansson vor sich und Tiger Woods leidet darunter: Scheidungen sind bei internationalen Stars an der Tagesordnung. In Deutschland wird insgesamt etwa jede dritte Ehe geschieden - zum Leidwesen vieler Kinder.

Das erste Baby ist da, der Nachwuchs wird flügge oder Kinder, Job und Hausbau zerren an den Nerven: In diesen Situationen zerbrechen nach Einschätzung von Fachleuten die meisten Ehen. „Der größte Klassiker sind aber zu hohe Erwartungen, meist der Frauen an die Männer“, sagt der Bielefelder Psychologe Detlef Vetter.

„Viele Frauen sind dann glücklich, wenn sie in Beziehungen glücklich sind“, sagt Vetter vom Institut für Paartherapie. Sie hätten daher oft zu hohe Erwartungen an die Partnerschaft. „Ich sage dann immer: Das schafft kein Mensch und erst recht kein Mann“, sagt der Therapeut augenzwinkernd. Männer seien meist duldsamer und glaubten, „mit ein bisschen Aussitzen regelt sich das schon“. Den Ansprüchen der Frauen an eine gute Partnerschaft verweigerten sie sich passiv. „Dann beginnt ein Teufelskreis, in dem sich der Mann nicht wirklich gemeint und die Frau sich zu kurz gekommen fühlt.“ Daher reichten Frauen auch häufiger die Scheidung ein als Männer.

Leidtragende bei solchen Trennungen seien vor allem die Kinder. „Wenn schon nicht die Liebe erhalten bleibt, dann wenigstens der Respekt. Darauf sollten Eltern bei einer Scheidung achten“, sagt Vetter. „Kinder leiden am meisten, wenn sie in einer Trennung funktionalisiert werden und der Kontakt zu einem Elternteil untergraben wird.“

145 700 minderjährige Kinder mussten 2009 mit der Scheidung ihrer Eltern klar kommen. Wie sie das verkraften, hänge stark vom Verhalten der Eltern ab, ergänzt Walter Bien vom Jugendinstitut. „Wenn Eltern sich trennen, ist das für die Kinder nie toll, denn sie sind unglaublich konservativ und wollen, dass alles so weiter geht.“ Sie glaubten auch stets, sie hätten etwas falsch gemacht, wenn die Eltern auseinandergehen.

„Je älter die Kinder, desto schwieriger ist es“, sagt Bien. Bis zum Alter von drei Jahren bemerkten die Kleinen die Trennung noch nicht so, ältere würden dagegen leicht mit hineingezogen. Väter und Mütter sollten sich klar machen, dass sie 16, 17 Jahre die Verantwortung für ihr Kind tragen. Und auch wenn die Partnerschaft endlich sei, sollten sie versuchen, die Elternschaft gemeinsam weiter zu leben, sagt Bien. „Wenn Kinder das Gefühl einer generellen Zuwendung haben, können sie mit allem umgehen.“

Ob mit oder ohne Kinder, leicht machen sich viele Ehepaare die Scheidung nicht. Die Paarberatung in Deutschland jedenfalls boomt, wie der Vizepräsident der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Jugend- und Eheberatung, Berend Groneveld, sagt. Die Nachfrage habe sich seit 1995 mehr als verdoppelt, immer häufiger wendeten sich auch Rentner und Zuwanderer in Partnerschaftskonflikten an die Beratungsstellen. „Das ist eine Wachstumsbranche - allerdings stark gedeckelt durch die Grenzen der öffentlichen Haushalte.“

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