Übernachten bei Freunden: So schwindet die Angst

Mannheim (dpa/tmn) - Kissenschlachten, Zelten mit dem Fußballverein und Jugendherbergsduft auf Klassenfahrten: Erwachsene haben die Übernachtungen in der Kindheit meist in guter Erinnerung. Umso größer ist die Verwunderung, wenn der eigene Nachwuchs keine Freude daran zeigt.

Übernachten bei Freunden: So schwindet die Angst
Foto: dpa

„Eltern sind dann häufig sehr besorgt, weil sie ja gerne möchten, dass ihr Kind an solchen Aktivitäten mit der Klasse oder Freunden teilnimmt“, sagt Bodo Reuser, Leiter der Erziehungsberatung in Mannheim. Er versteht die Sorgen der Eltern, warnt aber gleichzeitig davor, die Sache zu problematisieren: „Damit setzt man das Kind nur unter Druck und riskiert, dass die Übernachtung noch schwieriger wird.“

Wenn Kinder am liebsten zu Hause schlafen, muss das nicht zwingend ein Hinweis auf ein Problem sein, sagt Fachbuchautorin Cornelia Nitsch. Die Erziehungsexpertin glaubt, dass gesellschaftliche Veränderungen oft eine Rolle spielen: Die doppelte Berufstätigkeit vieler Eltern verknappe beispielsweise die gemeinsame Zeit. „Ich kann voll verstehen, wenn Kinder dann am Wochenende lieber Zeit mit ihren Eltern verbringen als woanders zu übernachten.“

Hinzu komme ein erhöhtes Stresslevel durch Schule und viele Freizeittermine. Kommt dann noch eine Übernachtung obendrauf, ist das mitunter einfach zuviel: „Kinder, die dann sagen „Ich will nicht“ reagieren instinktiv sehr gesund“, sagt Nitsch.

Anders verhält es sich, wenn das Kind gerne möchte, sich aber nicht traut. „Hier gilt es, sehr behutsam vorzugehen“, rät Bodo Reuser. „Jedes Kind ist schließlich anders und bringt andere Beweggründe und Motive mit.“ Ganz wichtig sei es in jedem Fall, dass die Eltern ihre Erwartungen zurückfahren. Sätze wie „Ach, komm, das ist doch toll, nun sei mal nicht so“ beschämen das Kind und setzen es unter Druck. „Die Kinder machen sich aber selbst schon Druck genug“, warnt der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut.

Auch Dörte Peters, Diplom-Psychologin aus Hamburg ist überzeugt, dass eine entspannte Haltung der Eltern die beste „Therapie“ ist. „Die innere Einstellung der Eltern ist sehr entscheidend, denn Kinder spüren, was die Eltern empfinden.“ Sorgen die sich schon Wochen vor dem Klassenausflug vor dem Verhalten des Kindes („Klappt das? Was machen wir, wenn nicht?“) kann sich diese Anspannung aufs Kind übertragen. Sie empfiehlt Eltern deshalb, die eigenen Erwartungen zu überprüfen und sich davon freizumachen. „Selbst wenn die Übernachtung nicht klappt, geht davon die Welt nicht unter.“

Wenn Kinder von sich aus sagen, dass sie die Übernachtung nicht mitmachen möchten, sollten Eltern das nicht infrage stellen, rät Reuser: „Das ist eine klare Willensbekundung, die es zu respektieren gilt.“ Wenn Kinder sich Sorgen machen oder unsicher sind, ob sie die Nacht durchhalten, ist es wichtig, dass Eltern Zuversicht ausstrahlen und dem Kind signalisieren: „Du schaffst das!“

Bei kleineren Kindern können Begleiter, wie Kuscheltiere oder Mamas Schal helfen, Ängste zu überwinden. Bei größeren hilft ein Gespräch, in dem Sorgen konkretisiert werden. Ist es vielleicht die fremde Umgebung? Die unbekannten Eltern des Schulfreundes? Die schlechte Stimmung in der Klasse? „Hinter den Ängsten können die unterschiedlichsten Motive stecken“, sagt Nitsch. „Wenn man herausfindet, was das Kind bewegt, kann man gezielt helfen, zum Beispiel mit dem Klassenlehrer sprechen und um Unterstützung bitten.“ Hilfreich könnten auch Absprachen sein, wie das Versprechen, das Kind abzuholen, wenn es nicht mehr möchte.

Literatur:

Cornelia Nitsch, Gerald Hüther: Wie aus Kindern glückliche Erwachsene werden, Verlag Gräfe und Unzer, 224 Seiten, Hardcover, 19,99 Euro, ISBN-13: 978-3833836213.

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