Elternhaus entscheidet Jugendhilfe: Mehr als jeder vierte Minderjährige ausgegrenzt

Berlin (dpa) - Mehr als jeder vierte Minderjährige in Deutschland ist laut der Kinder- und Jugendhilfe sozial ausgegrenzt oder von Armut bedroht. „Startchancen in das Leben werden nach wie vor vererbt“, sagte die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe, Karin Böllert.

Elternhaus entscheidet: Jugendhilfe: Mehr als jeder vierte Minderjährige ausgegrenzt
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Insgesamt 3,7 Millionen Kinder und Jugendliche gehörten zu den Verlierern ihrer Generation - das sind 28 Prozent. Allein 19 Prozent aller jungen Menschen seien von Armut bedroht. Jeder Zehnte wachse in einem Elternhaus auf, in dem weder Vater noch Mutter erwerbstätig seien. 11 Prozent wüchsen in Familien auf, in denen weder Vater noch Mutter eine abgeschlossene Berufsausbildung hätten.

Böllert betonte aber auch, dass viele junge Menschen gute Startchancen hätten - Tendenz steigend. So nehme das Bildungsniveauzu. 41 Prozent der Schüler machten Abitur. Mit 2,8 Millionen Studenten sei deren Zahl laut Statistischem Bundesamt gegenüber 2010 um 27 Prozent gestiegen. Böllert begrüßte, dass hunderttausende junge Menschen etwa zum Studieren ins europäische Ausland gingen. „Bildung wird europäisch.“ Die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss sei auf zuletzt 5,7 Prozent gesunken.

„Bildungserfolg hängt immer noch maßgeblich vom Elternhaus ab“, kritisierte Böllert. So gingen Unter-3-Jährige aus Familien mit Migrationshintergrund und aus Elternhäusern mit niedrigen Schulabschlüssen weniger oft in die Kita als andere. Insgesamt besuche jedes dritte Kind unter drei Jahren eine Kita. Bei den Kindern über drei Jahren seien es 95 Prozent.

Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe forderte Kita-Plätze für alle kleinen Flüchtlingskinder: „Die Kitas sind Türöffner in die Gesellschaft.“ Insgesamt gebe es 120 000 Flüchtlingskinder unter sechs Jahren in Deutschland, sagte Böllert unter Berufung auf Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. „Viele Flüchtlingskinder wissen gar nicht, dass es Kitas gibt“, sagte sie. Dabei falle die Integration dort besonders leicht, auch das Lernen der deutschen Sprache.

Böllert forderte eine Reform des Kindergelds. Kinder aus Elternhäusern mit niedrigem Einkommen müssten besser gefördert werden. Stark machen will sich die Arbeitsgemeinschaft für kleinere Gruppen in den Kitas und mehr Kita-Personal, kündigte Böllert an. Enttäuscht zeigten sich die Kinder- und Jugendhelfer von den Ganztagsschulen. Sie könnten das starke Niveaugefälle zwischen den Schülern oft nicht ausgleichen. „Beim Ziel, Kindern hier gleiche Startchancen zu geben, ist die Ganztagsschule gescheitert.“

Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe ist ein Netzwerk bundeszentraler Organisationen und Institutionen der freien und öffentlichen Jugendhilfe. Sie richtet den Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag aus, zu dem vom 28. bis 30. März in Düsseldorf mehr als 30 000 Besucher erwartet werden.

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