Johanna geht jagen - Junge Frauen auf der Pirsch

Lüneburg (dpa) - Eine weitere Domäne der Männer ist gefallen: die Jagd. Die Zahl der Jägerinnen ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Vor allem junge Frauen gehen verstärkt auf die Pirsch.

Mit geschulterter Waffe marschiert Johanna Köhler im Morgengrauen hinunter zum Maisfeld. Nachts hat es Frost gegeben, der Maishäcksler hat eben mit der Ernte begonnen. Es sollen Wildschweine geschossen werden, „Schwarzwild“, sagt die Jungjägerin. Die Schweine machten es sich zunehmend in den Maisfeldern gemütlich - zum Leidwesen der Landwirte, erläutert sie. Jäger aus der Umgebung umstellen das Feld, Johanna bezieht den ihr zugewiesenen Posten.

Die 20-Jährige mit dem Pferdeschwanz ist die einzige Frau in der kleinen Gruppe. Selbst in Pullover und gefütterter Jacke wirkt sie zierlich. Die schwere Büchse mit dem Zielfernrohr lässt sie noch schlanker erscheinen. Die Jägerin zückt ihr Handy. „Hier müssen noch zwei bis drei Reihen weg, damit ich freies Schussfeld habe“, sagt sie dem Jagdleiter.

Wenig später zieht die gewaltige Erntemaschine mit lautem Getöse an ihr vorüber. Aufmerksam beobachtet sie vom Rand des Feldes den langsam kleiner werdenden Maisschlag. Stundenlang harrt Köhler schussbereit aus, während die Sonne langsam die Eiskristalle an den Brennnesselblättern schmelzen lässt. „Meist warten die Schweine bis zuletzt“, sagt Köhler, „erst dann rennen sie los.“

Nur eine kleine Fläche ist noch mit Mais bedeckt - längst ist heller Tag. Dann fährt der Maishäcksler an und verschlingt die letzten Reihen. Ein Rehbock stürzt in hohen Sprüngen über den kahlen Acker davon, dann ist Ruhe. „Die Schweine waren schlauer, die haben sich diesmal schon vorher aus dem Staub gemacht“, sagt Köhler.

Am nächsten Morgen ist das nächste Feld dran. Köhler ist wieder die einzige Frau. Was zieht sie in der Nacht mit dem Gewehr nach draußen? „Vor allem das Traditionelle hat mich gelockt“, sagt sie. „Ich bin schon von klein an mit Papa mitgegangen. Bei Spaziergängen war die Flinte immer dabei und ich habe die Hasen hochgescheucht“, erzählt sie. Auch der Opa war leidenschaftlicher Jäger.

Wie Johanna Köhler zieht es immer mehr junge Frauen zur Jagd. „Wir haben einen eindeutigen Trend: Noch vor 15 Jahren war bundesweit nur jeder hundertste Jagdscheininhaber eine Frau, heute sind es bereits zehn Prozent“, sagt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdschutzverband (DJV). Eine DJV-Studie unter angehenden Jägern habe ergeben, dass in den Vorbereitungskursen für die Jägerprüfung gar schon 24 Prozent Frauen sitzen. Die Entwicklung bestätigt auch der Landesjagdverband Niedersachsen. „Wir beobachten diesen Trend vor allem in der Altersgruppe der 16- bis 30-Jährigen“, sagt Sprecher Florian Rölfing.

Köhlers einschneidendstes Erlebnis sei eine Bockjagd mit dem Vater gewesen, als sie gerade zwölf war. „Das hat mich geprägt, seitdem habe ich Jagd-Kataloge studiert“, sagt sie. Wichtig sei ihr auch das direkte Erleben der Natur: „Nur so auf dem Hochsitz hocken - auch wenn man den Finger gerade lässt. So habe ich meinen ersten Bock aus Ehrfurcht vor dem Tier ziehen lassen.“ Den Jagdschein hat sie vor zweieinhalb Jahren gemacht. Ein Wildschwein, einen Fuchs, eine Ente und einen Fasan hat sie seitdem erlegt.

Das Aufbrechen der Beute - Öffnen und Ausnehmen - gehöre dazu, erklärt sie. „Beim ersten Mal habe ich schon tief Luft geholt“, bekennt die Studentin der Agrarwissenschaften. Sie habe von dem Jagdschein enorm profitiert, erzählt sie begeistert. „Was man alles an Wissen über die Natur gelernt hat, das war schon gewaltig.“

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