Die Liebe ist reine Biochemie

Wir glauben, aus freiem Willen zu lieben. Die Anthropologin Helen Fisher stellt klar, dass Botenstoffe unseres Körpers dabei Regie führen.

Düsseldorf. Philipp ist entflammt, als ein Freund ihm Nina vorstellt. Lächeln, Reden, ein Flirt. Man trifft sich wieder, dann muss Philipp für vier Monate ins Ausland. Mails werden gewechselt. Philipp formuliert überlegt, streut poetische Sentenzen ein. Nina reagiert karg, schreibt weiter nur von ihrem Alltag, immer kürzer und seltener. Nach der Rückkehr treffen sich beide. Philipp schwärmt von der Liebe als Lebensentwurf, Nina reagiert verhalten. Kurz darauf schreibt sie, dass sie keinen Kontakt mehr möchte. Philipp versteht die Welt nicht mehr.

Kein Wunder, denn laut der Anthropologin Helen Fisher, die die neurologischen Grundlagen menschlicher Beziehungen untersucht, ist die Wirkung der Botenstoffe Testosteron, Östrogen, Noradrenalin, Dopamin, Serotonin und Oxytocin bei der Partnerwahl entscheidend. Jeder Mensch wird von allen Botenstoffen beeinflusst, aber sie docken in unterschiedlicher Intensität an Rezeptoren in den Gehirnregionen an und bestimmen unser Verhalten. Philipp ist ein östrogendominanter "Diplomat", Nina dagegen ein testosterondominanter "Wegbereiter".

Helen Fisher hat nach der Untersuchung von 28 000 Probanden die Menschheit in vier Typen unterteilt. Neben dem Diplomaten und dem Wegbereiter gehört weiter der dopamindominante "Entdecker" und der serotonindominante "Gründer" dazu. Nina war als Embryo einer hohen Testosteronkonzentration ausgesetzt, diese hat ihre Hirnarchitektur so aufgespaltet, dass sie weniger vernetzt ist.

Das führt zur "tiefen und engen Denkweise des Wegbereiters". "Diplomat" Philipp war dagegen einem Östrogenbad ausgesetzt, das bewirkt "die natürliche Fähigkeit, viele kleine Daten zusammenzutragen, auszuwerten". Der "Gründer" wiederum, der "mit bestimmten Genen im Serotoninsystem zur Welt" kam, ist "ruhig, umsichtig ohne ängstlich zu sein", führt Fisher aus. Die Biologie des "Entdeckers" steuert Norepinephrin, ein Dopamin-verwandter Botenstoff, der Offenheit und Abenteuerlust auslöst.

Es gibt aber keinen Zeitgenossen, der alle Eigenschaften eines Typs in sich vereint. Das ist biochemisch unmöglich. Vielmehr sind wir alle Mischtypen. Einer dieser typischen Wesenszüge ist aber dominant. Helen Fisher ist überzeugt, dass Partner im Vorteil sind, wenn sie mit einem Typen zusammengehen, der optimal zu ihnen passt. Im Kasten werden optimale und weniger günstige Verbindungen aufgeführt, sie sind aber nicht dogmatisch aufzufassen. Auch Philipp und Nina sind eine Idealverbindung, sie müssen sich nur erst kennen und verstehen lernen. Nach Ansicht der Anthropologin können sich "Diplomat" und "Wegbereiter" trotz ihrer Gegensätzlichkeit ergänzen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort