Wie werde ich...? Seiler

Berlin/München (dpa/tmn) - Ihre Produktpalette reicht vom Netz in Fußballtoren bis hin zum Schiffstau. Trotzdem kennt fast niemand den Beruf des Seilers. Dabei ist die Ausbildung in dem uralten Handwerk ein Geheimtipp.

Denn der Job nach der Ausbildung ist fast garantiert.

Seil ist nicht gleich Seil: Bergsteiger nutzen für den Gipfelsturm feste Taue. Der Scankopf in einem Kopierer bewegt sich mit Hilfe eines feinen Steuerseils. Luftfahrttechniker setzen Spezialseile ein, die aus Drähten bestehen, die oft dünner als ein Haar sind. „Auch der moderne Mensch kann nicht ohne Seile leben“, sagt Rolf Härtl, Geschäftsführer des Bundesverbands des Deutschen Seiler- und Netzmacherhandwerks in München. Die Branche sucht händeringend Nachwuchs.

Seit sieben Jahren wird in der Ausbildung zum Seiler in einer bundesweiten Berufsschulklasse gelernt. Seiler verarbeiten natürliche und künstliche Fasern oder Draht zu Seilen aller Art. Der Beruf ist an moderne Technik geknüpft: Die meisten Seile entstehen an computergestützten Maschinen, so die Bundesarbeitsagentur für Arbeit. Lediglich beim Schließen eines Seilrings oder beim Anbringen von Ösen und Schlingen legen Seiler Hand an. Mittelalterliche Romantik wie etwa beim Flechten von Hanfseilen sucht man vergebens.

Die Experten für Taue montieren die Seile vor Ort, machen sie im Betrieb gebrauchsfertig oder verarbeiten sie in Netzen. Tornetze aus Netzbahnen der Sächsischen Netzwerke Huck GmbH in Heidenau bei Dresden hielten etwa bei der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 2006 die Bälle. Je nach Auftrag werden ganz verschiedene Seile hergestellt. Der Durchmesser eines Schiffstaus kann 13 Zentimeter und mehr betragen. Mitunter sind auch Taue von mehreren Kilometern Länge gewünscht. „Das bedeutet körperlich schwere Arbeit trotz der Maschinen. Ich brauche kein Fitnessstudio“, sagt Jan Kneipp. Der 30-jährige Seiler und Sportler aus Bremen beendete seine Ausbildung 2007 - in einem der Jahrgänge, die in einer bundesweiten Berufsschulklasse für Seiler unterrichtet wurden.

Seiler kommen in der Welt herum. „Schon im Praktikum in der späteren Ausbildungsfirma durfte ich auf Montage auf ein Segelschiff in Holland“, berichtet Kneipp. Ein anderer Auftrag führte ihn in die Karibik. Andere Seiler montieren Skilifte und Bergbahnen vor Ort oder rüsten Segelschiffe an den Küsten aus.

Bei allem müssen sie Vorschriften penibel einhalten, damit reißfeste, widerstandsfähige und elastische Seile entstehen und Unfälle vermieden werden können. Gestandene Seiler erkennen an der Art des Geflechts und der Windungen die Herkunft eines Teils.

Wer den Beruf des Seilers ergreifen will, sollte technisches und handwerkliches Geschick haben und sorgfältig sein. Auch Kenntnisse in Physik, Mathematik und Chemie helfen. Ein bestimmter Schulabschluss ist dagegen nicht vorgeschrieben. „Wir setzen Hauptschulabschluss voraus und nehmen auch Abiturienten“, sagt Anke Neuner aus der Betriebsleitung der Gleistein-Gruppe mit Sitz in Bremen. Die Gleistein und Sohn GmbH bildet jedes Jahr zwei oder drei Azubis aus.

Die Chancen auf eine Lehrstelle stehen sehr gut, auch wenn Bewerber mangels Eignung mitunter abgelehnt werden. „In manchen Jahren haben wir darum gekämpft, eine Berufsschulklasse bundesweit auf die Beine zu stellen“, berichtet Rolf Härtl. Seiler ist nicht nur ein Männer-, sondern auch ein Nischenberuf.

Angehende Seiler besuchen die bundesweit zentrale Klasse an der Textilberufsschule Münchberg in Bayern. Die Praxis rund um Begriffe wie „Spleißen“, was das Verflechten der Enden eines Taus beschreibt, erlernen sie im Betrieb. Im dritten Jahr heißt es sich zu entscheiden. Die Lehrlinge müssen sich für eines der Gebiete Netzkonfektion, Seilherstellung oder Seilkonfektion festlegen. Mit einer erfolgreichen Abschlussprüfung darf man sich Geselle nennen.

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