Stahl- statt Samthandschuh: Tipps gegen sexuelle Belästigung

Berlin (dpa/tmn) - Anzügliche Bemerkungen oder unerwünschte Berührungen im Job muss niemand hinnehmen. Ironie ist in dieser Situation Luxus - distanzlose Kollegen verweist man am besten mit klaren Ansagen in die Schranken.

Hartnäckigen Belästigern droht die Kündigung.

Ein anzüglicher Spruch oder eine scheinbar zufällige Berührung am Po: Frauen haben immer wieder unter sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu leiden. Doch erst seit die Journalistin Laura Himmelreich im „Stern“ FDP-Spitzenmann Rainer Brüderle sexistische Äußerungen vorwarf, diskutiert ganz Deutschland über das Thema Sexismus. Dabei kennen viele das Problem: Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) geht davon aus, dass 40 bis 50 Prozent der Arbeitnehmerinnen in der EU schon sexuelle Belästigungen im Job erlebt haben.

In Deutschland gilt das nach einer Studie des Bundesfamilienministeriums für jede vierte Frau - allerdings sind die Zahlen von 2005. Und die Dunkelziffer dürfte hoch sein. Denn die wenigsten Frauen sprechen darüber oder suchen Hilfe - zu groß ist die Unsicherheit darüber, was man dagegen tun kann. In den Beratungen werde häufig zunächst geklärt, ob eine sexuelle Belästigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorliegt, erklärt Anette Diehl von der Frauenberatungsstelle Mainz.

Tabu sind nach dem AGG „unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen“.

„Jeder Arbeitgeber ist nach dem AGG verpflichtet, eine interne Beschwerdestelle einzurichten“, betont die Berliner Rechtsanwältin Katrin von Balluseck. Diese ist verpflichtet, die Beschwerde zu prüfen. Liegt tatsächlich eine sexuelle Belästigung vor, muss der Arbeitgeber aktiv werden. Er kann Belästiger dann abmahnen, versetzen oder schlimmstenfalls sogar kündigen.

Doch nur wenige Vorfälle werden rechtlich verfolgt. Denn die Beweislast liegt bei der Frau. Häufig geht es darum zu klären, ob das Handeln des Beschuldigten im Sinne des AGG „unerwünscht“ war, erläutert von Balluseck. Da stehe oft Aussage gegen Aussage - mit ungewissem Ausgang. Wichtig ist es deshalb, Belege wie anzügliche E-Mails zu sammeln.

Auf gar keinen Fall sollte eine Frau ihren Belästiger ignorieren, rät der Unternehmensberater Peter Modler. „Wenn er einmal damit durchgekommen ist, versucht er es immer wieder.“ Stattdessen sollten Betroffene sofort reagieren: „Tief Luft holen und dann in einfachsten Worten laut und langsam sagen: "Nein. Das kommt nicht infrage!"“

Neben dem Samthandschuh sollten Frauen genauso den Stahlhandschuh in der Tasche haben, sagt Modler. Das heißt: „Ich schiebe ihn an der Schulter langsam und mit festem Druck weg und werde langsam laut.“ Frauen neigten dazu, auch in einer solchen Situation mit einem differenzierten Argumentationskatalog zu antworten. Doch das funktioniere genauso wenig wie Schlagfertigkeit oder Ironie: „Das ist Luxus, das verstehen Männer in diesem Moment gar nicht.“

Auch die Genderforscherin Silke Martini rät zu einem sachlichen Ton. Denn wer zu nett ist, wird möglicherweise gar nicht ernst genommen - nach dem Motto: „Wenn die noch lächelt, kann es ja nicht so schlimm gewesen sein.“ Wer das direkte Gespräch scheut, sollte dem Kollegen eine Notiz schreiben. Die Vorfälle schriftlich festzuhalten, ist auch dann sinnvoll, wenn sie häufiger passieren. „Dann bietet sich eine Art Mobbing-Tagebuch an, in dem genau datiert wird, was passiert ist, mit Ort, Datum und Uhrzeit“, so Martini. Dies stärke die Position, wenn es zum Gespräch mit dem Vorgesetzten oder gar zu einer juristischen Auseinandersetzung kommt.

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