Diese Eltern-Ratschläge zur Berufswahl taugen nicht

Hamburg (dpa/tmn) — Keiner kennt einen so gut wie die Eltern — wenn sie einen Tipp zur Berufswahl haben, nimmt man den in der Regel ernst. Doch manche Empfehlung führt in die Irre. Berufsberater erzählen, von welchen Ratschlägen sie immer wieder hören und die sie kritisch sehen.

Diese Eltern-Ratschläge zur Berufswahl taugen nicht
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„Setz' auf Ingenieur, damit machst Du nichts verkehrt“: Ingenieure sind händeringend gesucht, heißt es derzeit überall. Absolventen finden leicht einen Job und verdienen gut. In den Ohren vieler Eltern klingt das nach einer sicheren Bank. Doch nur aus Verlegenheit so einen Studiengang zu wählen, ist keine gute Idee. „Diese Hype-Themen sind kritisch“, sagt Svenja Hofert, Karriereberaterin aus Hamburg. Nicht selten verkehrt sich die unmittelbare Nachfrage ein paar Jahre später ins Gegenteil. Annahmen der Eltern über den Arbeitsmarkt sollten Jugendliche immer hinterfragen und nachrecherchieren: Wie ist die Altersstruktur in dem Job? Gehen da bald viele in Rente? Ist die Zahl der Absolventen in den vergangenen Jahren stark angestiegen?

„Guck’, dass Du bei einer großen Firma unterkommst“: Wer den Einstieg bei einer großen Firma schafft, hat einen sicheren Arbeitsplatz. Das ist ebenfalls ein gängiger Eltern-Tipp. In der Vergangenheit mag das gestimmt haben. Doch heute gilt das nur noch bedingt, sagt Hofert. Konzerne wie das Versandunternehmen Quelle gehen pleite, bauen im großen Stil Mitarbeiter ab oder verlagern Standorte ins Ausland. Sie rät, als Berufsanfänger eher dort anzufangen, wo man viel lernen kann. Ist das in eher kleinen Firmen der Fall, gehen Absolventen besser dorthin. „Die Lernkurve wird sich auszahlen, aber erst später“, glaubt Hofert.

„Mach' es anders als ich“: Der Vater ist als Angestellter unglücklich? Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er dem Nachwuchs zu Berufen rät, in denen er später sein eigener Chef ist. Doch es anders zu machen, als die Eltern, hat mit den Talenten des Kindes nichts zu tun, sagt Martin Neumann von der Arbeitsagentur München. Auch wenn es schwer ist: Hier sollten Jugendliche versuchen, sich darauf zu besinnen, was sie können und was sie interessiert. Das gilt auch für den umgekehrten Ratschlag: Immer wieder komme es vor, dass Eltern sich wünschen, dass Kinder ihre Träume verwirklichen. Zum Beispiel, dass die Mutter Malerei studieren wollte und sich dann für Lehramt entschieden hat. Hier sollten Kinder hinterfragen: Will ich tatsächlich Künstlerin werden - oder will meine Mutter das?

„Mach', was Du für richtig hältst. Wir mischen uns da nicht ein!“:Manche Eltern wollen ihren Kindern umgekehrt die größtmögliche Freiheit lassen. Der Grund kann sein, dass sie ihr Kind in keine Richtung drängen wollen - oder sie mit der Vielzahl der Ausbildungsmöglichkeiten überfordert sind. Das ist gut gemeint - und doch verkehrt, sagt die Karriereberaterin Julia Funke aus Frankfurt am Main. Jugendliche brauchen das Feedback der Eltern, keiner kennt ihre Stärken und Schwächen so genau wie Mutter und Vater. Sie rät Schülern deshalb, gezielt nachzufragen: „Was denkst Du denn, kann ich gut?“

„Überleg Dir, was Du wirst. Den Beruf hast Du Dein Leben lang“: Mit diesem Rat wollen Eltern dem Nachwuchs die Tragweite der Entscheidung klarmachen. Hören Jugendliche das jedoch zu oft, sind sie nicht selten völlig blockiert. Die Entscheidung scheint so schwierig zu sein, dass viele dazu neigen, sie erst einmal aufzuschieben. Warum nicht erst einmal Au-Pair machen oder ein Jahr lang Praktika absolvieren. Hier sollten Jugendliche versuchen, zu akzeptieren, dass sie eine Entscheidung treffen müssen, erklärt Neumann von der Arbeitsagentur München. Es führe kein Weg daran vorbei, die eigenen Stärken und Schwächen zu analysieren und eine Vorstellung davon zu entwickeln, was man beruflich erreichen will.

„Fang’ erst einmal irgendetwas an“: Sitzt der Nachwuchs nur zu Hause und kommt mit der Entscheidung nicht weiter, ist auch das ein beliebter Elternsatz. Doch fangen Schüler eine Ausbildung an, die überhaupt nicht zu ihnen passt, hat das häufig negative Folgen, erklärt Neumann von der Arbeitsagentur München. Manche scheitern und brechen ab - kein schönes Gefühl. Andere machen die Ausbildung zwar fertig, schließen danach aber eine zweite an. Dann ist der Druck oft groß, dass es dieses Mal der richtige Beruf sein muss. Schüler sollten lieber nicht aus Verlegenheit irgend eine Ausbildung anfangen. Besser ist, eine fundierte Entscheidung zu treffen und sich von Lehrern und Berufsberatern unterstützen zu lassen.

„Hauptsache Abitur und Studium“: Es ist noch gar nicht lange her, da bekamen Betriebe auf einen ausgeschriebenen Ausbildungsplatz waschkörbeweise Bewerbungen. Viele Eltern sind deshalb auch heute noch der Meinung, dass der Nachwuchs auf jeden Fall Abitur machen soll und danach am besten ein Studium anschließt. Doch die Lage am Ausbildungsmarkt hat sich verändert, sagt Angelika Knötig. Sie ist Teamleiterin Berufsberatung bei der Arbeitsagentur Suhl. Auch für stark nachgefragte Ausbildungen reicht ein guter Realschulabschluss heute aus. Wichtiger sei zu schauen, was zu den Talenten der Jugendlichen passt und nicht stur darauf zu beharren, dass es Abitur und Studium sein muss.

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