Der Schlaumeier: Hochbegabung ist im Job nicht nur Vorteil

Berlin (dpa/tmn) - Ein Superhirn müsste man haben - dann wäre der Berufsalltag ein Leichtes. Statt Überstunden zu machen, ginge man jeden Tag pünktlich um 17.00 Uhr nach Hause. Und der Chef meckert nie über Fehler, weil man als Hochbegabter keine macht.

Keine Frage: Wer eher durchschnittlich veranlagt ist, findet etwas mehr graue Zellen erst einmal attraktiv. Tatsächlich ist das Etikett „hochbegabt“ häufig jedoch eher ein Makel. Das zeigt eine neue repräsentative Studie. Die Mehrheit der Bevölkerung steht Hochbegabten eher negativ gegenüber - und das wirkt sich gerade auch in der Arbeitswelt aus.

Eine Forscherin der Universität Duisburg-Essen hat in einer Studie 1029 Erwachsene zu ihren Vorstellungen über Hochbegabte befragt. Dabei zeigte sich, dass die Befragten im Mittel Hochbegabten ein hohes Potenzial zuschreiben und sie für sehr leistungsfähig halten. Rund zwei Drittel bescheinigten ihnen aber auch, schwierig im sozialen Umgang zu sein und emotionale Probleme zu haben.

„Das Klischee, dass Hochbegabte sozial schwierig und emotional labil sind, hält sich hartnäckig“, sagt Forscherin Tanja Gabriele Baudson, Autorin der Studie. Dabei gebe es in wissenschaftlichen Untersuchungen keinerlei Hinweise darauf, dass hohe Intelligenz mit niedrigen sozialen Fähigkeiten einhergeht. Wer hochbegabt ist, sollte das in der Arbeitswelt trotzdem lieber für sich behalten, rät Baudson - oder zumindest nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, bevor man seine Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt hat.

Ab einem Intelligenzquotienten von 130 geht man derzeit von einer intellektuellen Hochbegabung aus. Gut zwei Prozent einer Altersgruppe zählen zu dieser Gruppe. Zum Vergleich: Die meisten (68,2 Prozent) haben einen IQ zwischen 85 und 115.

Wer mit einer Hochbegabung auf die Welt kommt, hat das Potenzial, im Beruf besonders erfolgreich zu sein, erläutert Baudson. Das ist aber nicht automatisch der Fall: Denn neben der Veranlagung braucht es Förderung etwa durch das Elternhaus und die Schule. Und derjenige muss außerdem die Motivation in sich tragen, etwas leisten zu wollen.

Ohnehin sei es schwierig, von „den Hochbegabten“ zu sprechen, sagt Baudson. Denn die Fähigkeiten der Menschen sind sehr unterschiedlich. Häufig beschränkt sich Hochbegabung auf einen bestimmten Bereich. Entgegen den Mythen, die sich um Hochbegabte ranken, denken sie auch nicht anders als durchschnittlich Begabte. Sie denken nur schneller.

Auch wenn laut Baudson Hochbegabung nicht die Ursache für Probleme ist, so haben manche im beruflichen Umfeld Schwierigkeiten. Mit ihnen hat Karriereberater Heinz-Detlef Scheer täglich zu tun. Er bietet Coaching für Hochbegabte an. Seine Klienten kämpfen häufig damit, dass ihr Verhalten auf andere merkwürdig wirkt: Wenn ihren schnellen Gedanken niemand folgen kann, wirkt das auf manche arrogant. Andere haben ständig neue Ideen und rennen zum Chef. Manche missachteten Hierarchien. Die Hochbegabten selbst sind frustriert: Sie haben Hunderte Ideen, und die Firma setzt sie ihrer Meinung nach zu langsam um. Verstehen Kollegen sie nicht so schnell, werden sie ungeduldig.

Viele Konflikte lassen sich dadurch entschärfen, dass der Hochbegabte um seine Besonderheit weiß und sich damit auseinandersetzt, wie er auf andere wirkt, sagt Scheer. Aber: Längst nicht jeder weiß, dass er überdurchschnittlich intelligent ist.

So war es auch bei Marcus Guttenberger. Als er von seiner Hochbegabung erfuhr, war er bereits 38 Jahre alt. In der Schule ist er in der elften Klasse sitzengeblieben und danach am Gymnasium ausgestiegen. Da seine ganze Familie im Hotelfach ist, hat er zunächst eine Lehre zum Hotelfachmann gemacht. Später sattelte er dann auf Informatik um. Mit 38 Jahren kam er in eine Situation, in der er sehr unzufrieden mit seinem Job war. Es fehlte etwa an interessanten Perspektiven, und auf der Karriereleiter ging es auch nicht so schnell voran, wie er wollte.

Er landete bei Karriereberater Scheer. Als der einen IQ-Test vorschlug, fand er das erst einmal lustig: „Dass ich hochbegabt sein soll, hat mich schon überrascht“, sagt er. Doch die Vermutung stimmte: Sein IQ liegt bei 135. Guttenberger arbeitet inzwischen als Berater, ist seiner Branche aber treu geblieben. Er ist deutlich zufriedener. Dass er hochbegabt ist, erklärt für ihn nun im Nachhinein manche Schwierigkeit, die er hatte. Und vor allem eins hat sich geändert: Er kann seine Hochbegabung jetzt gezielt für den Job nutzen. Sie ist nicht mehr Bürde, sondern Gabe.

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