„Bufdi“ trotz Rente - „Man kommt sich nicht so verloren vor“

Frankfurt/Main (dpa) - „Bufdis“ sollten eigentlich die „Zivis“ ersetzen. Doch viele sind deutlich älter als 27 Jahre. Manche sind sogar schon in Rente. Ausschlaggebend ist nicht das Geld, sondern das Gefühl gebraucht zu werden.

„Bufdi“ trotz Rente - „Man kommt sich nicht so verloren vor“
Foto: dpa

Auch nach einem stressigen Berufsleben wollte der Fernsehtechniker Peter Gmell noch nichts vom Ruhestand wissen. Der 66-Jährige steht noch immer früh auf und arbeitet als „Bufdi“ in einer Tagesstätte für psychisch kranke Menschen in Frankfurt am Main. „Ich wollte nicht so abrupt aufhören und mal was ganz anderes machen“, sagt der Rentner.

Hans-Jürgen Enders hat nach rund 20 Jahren als Flugingenieur im Frachtverkehr aus gesundheitlichen Gründen umgesattelt: Er entschied sich für eine Ausbildung als Betreuungskraft und arbeitet seither in einem Pflegeheim - zunächst ehrenamtlich und jetzt mit 56 Jahren im Bundesfreiwilligendienst.

Der Bundesfreiwilligendienst (BFD) ist seit Juli 2011 der Nachfolger des abgeschafften Zivildienstes. Doch längst nicht alle „Bufdis“ oder „BFDler“ sind jünger als 27 Jahre. Fast jeder zwölfte ist nach Angaben des Bundesfamilienministeriums älter als 61 Jahre. Von den 48 996 Menschen im BFD (Februar) haben 809 Männer und Frauen ihren 65. Geburtstag schon hinter sich - wie Gmell. 9650 sind wie Enders zwischen 51 und 65 Jahre alt.

Gravierende Unterschiede gibt es zwischen West und Ost. So melden sich in den alten Ländern vor allem jüngere Menschen zu dem Dienst, in den neuen sind es dagegen besonders ältere. Im Osten (ohne Berlin) sind 8173 älter als 51 Jahre - bundesweit sind es 10 459. Linke-Vizefraktionschef Jan Korte kritisiert daher, die damalige schwarz-gelbe Koalition habe mit dem BFD einen neuen Niedriglohnbereich geschaffen.

Enders sagt, er habe „viel von der Welt gesehen und meinen Erfahrungshorizont erweitern können“. Als es gesundheitlich nicht mehr gegangen sei, habe er sich etwas Neues suchen müssen. „Ich hatte schon immer eine soziale Ader“, begründet er seine Entscheidung für die Umschulung. Dazu gehört auch, dass er zu seiner demenzkranken Mutter zog und sie einige Jahre lang pflegte. In dem Frankfurter Pflegeheim betreut er jetzt 39 Stunden in der Woche alte Menschen.

Dazu gehöre Small-Talk, „ein bisschen wie der gute Nachbar“, sagt Enders. Und er bietet ein festes Programm: Mit den Heimbewohnern spielt er Karten und liest ihnen regelmäßig vor. Neuerdings schreibt der leidenschaftliche Leser und Hobbyschriftsteller zusammen mit drei älteren Frauen sogar einen Roman. „Er spielt in einem Pflegeheim.“

Für Gmells Chefin Gisela Hefft kam der 66-Jährige wie gerufen: „Es hatte gerade ein FSJler (Freies Soziales Jahr) gekündigt, weil er einen Studienplatz hatte“, berichtet die Leiterin der Tagesklinik. Gmell machte auf Anhieb einen so guten Eindruck, dass das Sozialwerk Main Taunus seinen Job als „Bufdi“ gleich auf die maximale Zeit von 18 Monaten verlängerte. „Er kommt sehr gut an“, sagt Hefft. Seine ruhige, entspannte Art schätzten die Menschen in der Tagesklinik sehr.

Gmell kommt 25 Stunden pro Woche in die Tagesklinik. Er bereitet das Frühstück für täglich rund 25 Menschen vor, räumt mit ihnen anschließend gemeinsam ab und holt in riesigen Boxen das warme Mittagessen aus einer Großküche ab. Gegen 13 Uhr ist Schluss. Gmell mag seinen Job: „Es könnte nicht besser sein.“

Für ihre Arbeit erhalten „Bufdis“ ein Taschengeld von bis zu 357 Euro im Monat. Manche Einrichtung stellt zusätzlich auch Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung. „Das Geld ist aber für mich nicht ausschlaggebend“, sagt Gmell. Er freut sich über seine neue Aufgabe, zumal seine Lebensgefährtin noch voll arbeitet. „Man kommt sich nicht so verloren vor und das Gefühl, gebraucht zu werden, ist auch schön.“

Enders, der das Leben mit Hartz IV kennt, sieht das ähnlich: „Das ist keine Sache des Geldes. Es macht mir so viel Spaß, und ich kriege von den Bewohnern so viel zurück“, sagt er mit leuchtenden Augen. „„Bufdi“ ist eine tolle Sache. Ich kann das auch jungen Leuten nur ans Herz legen, gerade wenn sie noch nicht so genau wissen, was sie machen wollen.“

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