20 Jahre Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten Zwei Jahrzehnte Sonntagsbrötchen und Abendeinkauf

Vor 20 Jahren begann die umstrittene Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten. Heute sorgen die „Rund-um-die-Uhr-Angebote“ des Online-Handels für eine neue Brisanz der Debatte.

Bis vor 20 Jahren war das Ladenschlussgesetz in Deutschland strikt - und wenig verbraucherfreundlich. Heute können die Kunden in manchen Bundesländern "Rund-um-die-Uhr" einkaufen.

Bis vor 20 Jahren war das Ladenschlussgesetz in Deutschland strikt - und wenig verbraucherfreundlich. Heute können die Kunden in manchen Bundesländern "Rund-um-die-Uhr" einkaufen.

Foto: dpa

Düsseldorf. Bäcker durften am Sonntag keine frischen Brötchen verkaufen. Supermärkte hatten werktags pünktlich um 18.30 Uhr zu schließen. Bis vor 20 Jahren war das Ladenschlussgesetz in Deutschland strikt - und wenig verbraucherfreundlich.

Das änderte sich erst am 1. November 1996. Die Gesetzesnovellierung vor 20 Jahren erlaubte es den Geschäften erstmals, an Werktagen bis 20 Uhr zu öffnen, an Samstagen immerhin bis 16.00 Uhr. Und Bäcker durften erstmals frische Sonntagsbrötchen verkaufen. Vorher gab es die nur an der Tankstelle. Von einer „Zeitenwende im Einzelhandel“ war damals die Rede.

Was heute so selbstverständlich klingt, sorgte damals für heftige Auseinandersetzungen. Rund 50 000 Verkäuferinnen und Verkäufer demonstrierten in Bonn gegen das vor allem vom damaligen Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) vorangetriebene Gesetz. Wissenschaftler kritisierten den „Ausverkauf der Arbeitszeiten“ und warnten vor sozialen Verwerfungen. Selbst die Kunden nahmen die neue Regelung zunächst nur zögerlich an.

Dennoch war die weitere Liberalisierung der Öffnungszeiten nicht zu stoppen. Im Jahr 2003 wurden auch für den Samstag die Öffnungszeiten bis 20.00 Uhr verlängert. Mit der Föderalismusreform von 2006 ging die Gesetzgebungskompetenz für den Ladenschluss dann vom Bund auf die Länder über und ein weiterer Liberalisierungsschub folgte. In den meisten Bundesländern können die Läden heute werktags rund um die Uhr öffnen. Doch gibt es auch restriktivere Reglungen - etwa in Bayern, wo die Geschäfte nach wie vor um 20.00 Uhr zu schließen haben.

Genutzt werden die längeren Öffnungszeiten vor allem in den Fußgängerzonen der Großstädte und im Lebensmittelhandel. Oft haben Supermärkte und Discounter heute bis 20.00, 21.00 oder 22.00 Uhr offen. Geschäfte mit 24-Stunden-Service haben jedoch nach wie vor Seltenheitswert.

Trotz aller Veränderungen fällt die Bilanz des Handelsverbandes Deutschland (HDE) zum Thema verlängerte Ladenöffnungszeiten heute eher ernüchternd aus. „Der Umsatz ist erwartungsgemäß nicht gestiegen“, stellt der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, fest. Doch könnten Berufstätige „seitdem stressärmer einkaufen“.

Ob zusätzliche Arbeitsplätze entstanden sind, ist umstritten. Der HDE sagt Ja. Insbesondere der Lebensmittelhandel habe mehr Personal eingestellt. Die Gewerkschaft Verdi sagt Nein. „Das große Versprechen, dass es deshalb mehr Arbeitsplätze geben wird, hat sich überhaupt nicht bewahrheitet“, sagt Verdi-Sprecherin Eva Völpel. Durch die längen Öffnungszeiten gebe es nur mehr Teilzeit-Stellen, mehr Minijobs und mehr Leiharbeit.

Neu angefacht wird der Streit um die Öffnungszeiten durch den Boom des Online-Handels. HDE-Hauptgeschäftsführer Genth wirbt vehement für die Möglichkeit der Rund-um-die-Uhr-Öffnung an Werktagen in ganz Deutschland. „Von Montag bis Samstag sollten die Händler selbst entscheiden können, wann sie öffnen möchten“, findet er. Schließlich habe der Online-Handel 24 Stunden an sieben Tagen geöffnet. Unterstützung bekommt er vom Marketingexperten Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU. „Durch den Siegeszug des Online-Handels ist es noch wichtiger geworden, dass die Geschäfte mehr Flexibilität bei den Öffnungszeiten haben“, meint auch er.

Verdi-Sprecherin Völpel dagegen widerspricht. „Wir glauben nicht, dass immer längere Öffnungszeiten die richtige Antwort auf das Internet sind. Dieses Rennen können sie nicht gewinnen“, meint die Gewerkschafterin. dpa

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