Wirtschaftskrise: Der Vater Staat als letzte Rettung

Der Fall Opel rückt die Frage nach den Kriterien für staatliche Hilfen in den Blickpunkt. Und die sind nicht ohne Gefahr.

Berlin. Der Patient ist also vorläufig verarztet. Ob Opel jedoch dauerhaft gesund wird - niemand kann das heute wissen. Aber das Wartezimmer füllt sich von Tag zu Tag. Fast 1200 Unternehmen, große wie kleine, haben sich bereits um Kredite oder Bürgschaften des Staates beworben. Im Saldo geht es um schwindelerregende Milliardensummen. Und man fragt sich: Was sind die Kriterien?

Wer verdient es, mit Hilfe von Vater Staat gerettet zu werden? Der, der die meisten Mitarbeiter beschäftigt? Oder jener, der ein wetterfestes Geschäftsmodell vorweist? Oder kommt am Ende nur derjenige zum Zug, der am lautesten kräht und die besten "Freunde" in der Politik hat?

Inzwischen hat man sich als Otto Normalverbraucher daran gewöhnt, dass der Staat offenbar dreistellige Milliardenbeträge locker machen muss, um große Bankhäuser vor dem Absturz zu bewahren. Es leuchtet ein: Würden die "Arterien" unseres ökonomischen Kreislaufs verstopfen, der Zahlung- und Kreditverkehr, das gesamte Wirtschaftssystem käme zum Erliegen. Daher der Begriff "systemrelevant", wenn es um die Hilfsbedürftigkeit von Unternehmen geht.

Der Fall Opel hat die Tore nun viel weiter geöffnet. Vor der Bundestagswahl Ende September weitere Bittstellern abzuweisen, befürchten Wirtschaftsforscher, wird der Bundesregierung und den sie tragenden Parteien zumindest schwer fallen. Es regiert die Wir-lassen-Euch-nicht-hängen-Rhetorik.

Ein Mangel tritt dabei immer deutlicher zutage: Transparente, verlässliche Leitlinien für Staatshilfen gibt es nicht; allenfalls Anhaltspunkte. So soll unterschieden werden zwischen Firmen, die durch die Finanzkrise unverschuldet in Not geraten und dringend auf Hilfe angewiesen sind.

Und solchen, die bereits vor Herbst 2008 entweder schwere Managementfehler begangen haben, wegen hoher Eigenkapitalquoten eigentlich auf Staatshilfe verzichten könnten oder ohnehin nicht mehr zu retten sind. Das allerdings zu beurteilen, zweifelsfrei und belegbar, heißt es in Regierungskreisen, sei für staatliche Stellen "nahezu unmöglich". Am Ende ist es darum immer eine politische Entscheidung, wem geholfen wird - und wem nicht.

Das Problematische an jeder staatlichen Rettungsaktion ist aber, dass mit ihr ein Präzedenzfall geschaffen wird: Hilft der Staat dem einen, benachteiligt er zwangsläufig den anderen. Unterstützt er wie im Fall Opel die Automobilindustrie, sind Wünsche aus dem Handel (Arcandor), der Landwirtschaft (Milchbauern) oder anderen Wirtschaftszweigen (Infinion) nach staatlicher Rückendeckung nicht einfach zurückzuweisen.

Die Gefahr liegt auf der Hand. Wenn sich Konzerne stillschweigend darauf verlassen können, dass es der Staat in der Notlage schon richten wird, verhalten sie sich unbewusst anders. Sie riskieren mehr. Nach dem Motto: Wenn’s schief geht, ist ja immer noch Peer Steinbrück da, der Finanzminister.

Damit der Staat - also der Steuerzahler - nicht am Ende der Dumme ist, werden darum Forderungen immer lauter, die die Vergabe von Krediten und Bürgschaften an marktwirtschaftliche Bedingungen knüpfen. Tenor: Wenn der Staat etwa bei Opel mit bis zu 4,5 Milliarden Euro ins Obligo geht, dann muss er bei einer erfolgreichen Unternehmensentwicklung auch davon etwas haben. Bonuszahlungen für den Helfer Staat also? Eine sympathische Idee.

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