Wahlkämpfer auf dem Kirchentag

Kanzlerin Merkel und Herausforderer Steinmeier diskutieren in Bremen über Demokratie und Außenpolitik.

Bremen. Die eine ist Kanzlerin, der andere will Regierungschef werden: Angela Merkel (CDU) und Frank-Walter Steinmeier (SPD) waren zwei aus einer Schar von Spitzenpolitikern, die auf dem 32.Deutschen Evangelischen Kirchentag in Bremen ihren Auftritt hatten.

Angela Merkels Einzug ist die große Geste, dem Amt und dem Wahljahr geschuldet. Unter dem Applaus von 8500 Kirchentagsbesuchern geht sie zur Bühne. Um "Menschenwürde und Demokratie" soll es dort gehen. Das klingt nach staatstragenden Sätzen, doch ihr Gespräch mit dem britischen Historiker Timothy Garton Ash gerät kurzweilig, streckenweise auch persönlich.

Vielleicht liegt es daran, dass weite Teile der Diskussion um die deutsche Einheit kreisen und die ostdeutsche Pastorentochter dabei nicht nur aus der Sicht der heutigen Kanzlerin spricht. Sie unterscheidet deutlich zwischen dem DDR-Staat, "bei dem ab einem bestimmten Punkt jede Gnade weg war", und seinen Menschen. "Beim Rückblick auf die DDR wird oft der Fehler gemacht, so zu tun, als sei menschliches Leben nur Staat."

Kritisches Fragen in der DDR habe Mut erfordert. "Aber es ist nicht so, dass man im Westen keinen Mut bräuchte." Merkel appelliert, "sich seiner eigenen Sinne nicht berauben zu lassen. Sonst entsteht auch unter freiheitlichen Bedingungen Konformität." Sie selbst habe lange die Lebensplanung gehabt, mit 60 als Rentnerin in die USA zu reisen und dort ihren Ost- gegen einen West-Pass zu tauschen. "Nun hat sich das früher erfüllt. Man kann nie sagen, wann in der Geschichte etwas zum Guten kippt."

Fünf Stunden später, andere Halle, 2400 Besucher, aber die gleiche Geste. Auch Steinmeier sucht den Weg quer durch die Halle. Beim Grußwort nach dem Eröffnungsgottesdienst war er noch der Versuchung erlegen, eine kleine Wahlkampfrede zu halten. Auch jetzt, im Dialog mit Jakob Kellenberger, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, fordert er noch einmal für die Galerie: "Guantanamo muss geschlossen werden." Aber er sagt auch Sätze wie: "In den vergangenen zehn Jahren haben wir uns etwas zu sehr daran gewöhnt, Außenpolitik mit Presseerklärungen zu betreiben, anstatt in der betroffenen Region wirklich etwas zu bewegen."

Steinmeier und Kellenberger sind sich einig, dass Außenpolitik gerade auch mit den schwierigsten Staaten in Kontakt bleiben muss. Und der Außenminister wirbt bei den Kirchentagsbesuchern für eine Diplomatie, die zwar die Sehnsucht nach einer klaren Benennung des Unrechts in der Öffentlichkeit häufig enttäuscht, aber hinter verschlossenen Türen im Interesse der betroffenen Menschen handelt und Klartext redet.

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