Vorratsdaten: EU-Klage gegen Deutschland steht bevor

Brüssel/Berlin (dpa) - Deutschland steht wegen der fehlenden Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung eine EU-Klage ins Haus.

Der EU-Kommission reichen die Zusagen der Bundesregierung nicht aus, so dass sie schon Ende Mai den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg anrufen will. „Was wir auf den ersten Blick sagen können ist, dass Deutschland anscheinend keinen Fortschritt bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gemacht hat und weiterhin EU-Recht verletzt“, sagte ein Sprecher der zuständigen EU-Kommissarin Cecilia Malmström in Brüssel.

In der Nacht zum Freitag war eine letzte von Brüssel gesetzte Frist zur Neuregelung abgelaufen. Mit einer Klage will die EU-Kommission nun die Bundesrepublik zwingen, ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vorzulegen. Der Vorwurf lautet, dass Deutschland die europäische Richtlinie von 2006 nicht umgesetzt hat. Sie sieht die Speicherung von Daten von Telefon- und Internetdaten zu Fahndungszwecken vor. Union und FDP können sich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen, seit das Bundesverfassungsgericht die alte deutsche Regelung im März 2010 verworfen hatte.

Der EU-Sprecher verwies darauf, dass die nächste Runde zur Einleitung solcher Klagen wegen Verletzung der EU-Verträge Ende Mai anstehe. Voraussichtlich werde die EU-Kommission dann ihre Entscheidung treffen. Am Ende einer solchen Klage könnte ein Bußgeld gegen Deutschland in Millionenhöhe stehen. Verfahren wegen Verletzung der EU-Verträge sind keine Seltenheit - gegen Deutschland laufen mehr als 70, darunter ist die Klage wegen des VW-Gesetzes.

In ihrer recht kurzen Antwort an die EU-Kommission hat die Bundesregierung immer noch nicht die verlangte Zusage gegeben, ein nationales Gesetz zu erlassen, um die EU-Richtlinie umzusetzen. In dem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur dpa vorliegt, spricht die deutsche Regierung nur davon, dass sie an einem Gesetzentwurf arbeite: „Innerhalb der Bundesregierung wird gegenwärtig in Vorbereitung einer zeitnahen Kabinettsbefassung der Gesetzentwurf der Bundesregierung [..] abgestimmt.“ Sobald ein Entwurf beschlossen sei, werde die Bundesregierung die Kommission darüber informieren.

Hinter den Kulissen zeigte sich die Brüsseler Behörde verärgert über die Hinhaltetaktik der Bundesregierung. Malmström hatte am Vortag nochmals betont, Berlin verklagen zu wollen. Deutschland habe viele Jahre Zeit gehabt, betonte die Kommissarin. Die Richtlinie stammt aus dem Jahr 2006. Derzeit geht die Behörde nach eigenen Angaben bereits gegen Schweden, Rumänien und Tschechien in dieser Sache vor. Die Schweden brachten inzwischen doch ein entsprechendes Gesetz auf den Weg, das am 1. Mai in Kraft treten soll.

In Berlin streitet die Regierungskoalition, weil der Union die Vorschläge von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nicht ausreichen. Die Ministerin will Internet- und Telefonverbindungsdaten nur bei konkreten Anlässen speichern lassen - IP-Adressen von Computern sollen pauschal sieben Tage lang gesichert werden. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) pochte zuletzt auf eine Lösung des Dauerkonfliktes. Auf die Frage, ob die Kanzlerin sich in den Streit einschalten werde, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert: „Wir arbeiten daran, einen gemeinsamen Weg zu finden.“ Die Kanzlerin verfolge, dass die beiden Ressorts in intensiven Gesprächen seien.

Das von Leutheusser-Schnarrenberger vorgelegte „Quick-Freeze-Verfahren“ akzeptiert die EU-Kommission nicht. „Dies kann nicht als Umsetzung der Richtlinie angesehen werden. Das sind zwei verschiedene Dinge“, betonte der EU-Sprecher. Auch das häufig von Deutschland vorgebrachte Argument, dass die EU-Kommission die EU-Richtlinie sowieso überarbeiten und abändern will - es sollen mehr Garantien für den Datenschutz eingearbeitet werden - lässt Brüssel nicht gelten. „Die Überarbeitung der Richtlinie kann keine Entschuldigung sein, sie nicht umzusetzen“, sagte der Sprecher.

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