Dienstrechtsmodernisierungsgesetz Vorfahrt für Frauen in Amtsstuben

Die Folgen des neuen Landesgesetzes zur Beförderung führen bereits jetzt zu Gerichtsverfahren und Einbußen bei Beamten.

Dienstrechtsmodernisierungsgesetz: Vorfahrt für Frauen in Amtsstuben
Foto: dpa

Düsseldorf. „Unter vielen Beamten hat sich längst eine große Arbeitsunzufriedenheit breit gemacht, die verstärkt zu inneren Kündigungen führt.“ Diese Behauptung hat der FDP-Landtagsabgeordnete Ralf Witzel in seine „Kleine Anfrage 5049“ an die Landesregierung eingebaut, mit der er die Folgen des am 1. Juli in Kraft getretenen Dienstrechtsmodernisierungsgesetzes anprangert. Bei der Beförderung im Beamtendienst würden Frauen nur aufgrund ihres Geschlechts auch dann Männern vorgezogen, wenn sie über schlechtere Leistungsbeurteilungen verfügen, solange sie derselben Vergleichsgruppe angehören.

Das Gesetz hat laut Deutscher Steuergewerkschaft bereits zu schwerwiegenden Folgen geführt. Die Interessenvertretung der Beamten beklagt: Die Regelung, nach der Frauen in der Beförderungsliste vorzuziehen sind, wenn sie über eine „im wesentlichen gleiche“ Eignung verfügen (Infokasten), führt in vielen Besoldungsgruppen ab Stufe A 11 zu schwerwiegenden Veränderungen in den Beförderungslisten. Teilweise verschiebe sich der zu erwartende Beförderungszeitpunkt für Männer um mehrere Jahre nach hinten.

Daher haben männliche Beamte laut Steuergewerkschaft bereits mit Klagen gegen die Nichtbeförderung reagiert. Manfred Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft NRW, gegenüber unserer Zeitung: „Derzeit gibt es rund zwölf Klagen aus der Finanzverwaltung gegen Nichtbeförderung aufgrund der Neuregelung.“ Was sich erst einmal wenig anhört, führt zu gravierenden Folgen für zahlreiche Kollegen. Lehmann: „Das Verwaltungsgericht hat in den derzeit anhängigen Verfahren alle weiteren Beförderungen untersagt, da die Gefahr besteht, dass für den Kläger im Fall des Obsiegens sonst keine Planstelle frei wäre.“ Konsequenz: Nun werden auch diejenigen nicht befördert, die nach dem alten System befördert worden wären. Die Steuergewerkschaft geht davon aus, dass 1000 Beamtinnen und Beamte betroffen sein werden. Finanziell bedeute das für jeden, der oder die auf eine anstehende Beförderung von A 12 nach A 13 verzichten muss, einen Nettoverlust von monatlich 320 Euro. (Ein Beamter A 12 verdient je nach Dienstalter zwischen 3389 und 4373 Euro brutto monatlich)

Das NRW-Finanzministerium weist darauf hin, dass es bislang keine Klagen, sondern zehn Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz gebe. Auch könne von einem generellen Beförderungsstopp keine Rede sein. Sämtliche Beförderungen in den Finanzämtern würden vorgenommen. Ausgenommen seien zur Zeit Mitarbeiter aus den Finanzämtern für Groß- und Konzernbetriebsprüfung (Beförderungen von A 12 nach A 13) und der Finanzämter für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (Beförderungen von A 11 nach A 12).

Trotz aller Kritik an dem Gesetz sieht die Steuergewerkschaft in der FDP in einem Punkt keinen ehrlichen Mitstreiter. FDP-Mann Witzel stellte nämlich einen Zusammenhang zu kürzlich vorgenommener Beförderungen durch den Finanzminister und den Innenminister her. „Mit einer vierstelligen Anzahl an vorgezogenen Beförderungsstellen haben die beiden Minister alles dafür getan, die folgenreichen Konsequenzen ihrer Frauenquote irgendwie bis zur Landtagswahl im Mai 2017 notdürftig zu kaschieren“, argumentiert Witzel. Innenminsiter Ralf Jäger (SPD) hatte angekündigt, bis Oktober 2184 Polizisten zu befördern.

Steuergewerkschaftler Lehmann sieht diesen Zusammenhang ganz und gar nicht und erklärt die im Juni vorgenommenen mehr als 1500 Beförderungen von Finanzbeamten so: „Seit 2006 galt in der Finanzverwaltung eine Wiederbesetzungssperre. Eine zum Beispiel durch Pensionierung freiwerdende Stelle führte erst nach 18 Monaten zur Beförderung des Nachfolgers, obwohl die Aufgabe natürlich sofort übernommen werden musste. Diese Sperre hat der Finanzminister zum 1. Juni aufgehoben.“

Das Finanzministerium argumentiert, mit der Aufhebung der Beförderungssperre werde „ein deutliches Aufbruchssignal an die Mitarbeiter der Finanzverwaltung gesendet. Das Ziel: bürgerfreundlichste Finanzverwaltung Deutschlands zu werden.“

Trotzdem kritisiert Steuergewerkschaftler Lehmann, „dass die Kolleginnen und Kollegen kein Verständnis für die Vorgehensweise der Landesregierung und der Mehrheitsfraktionen haben, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, dessen Klageanfälligkeit einschließlich der Folgewirkungen von Beginn an feststeht“.

Neben den individuellen Klagen beziehungsweise Eilanträgen könnte die Sache auch noch an höherer gerichtlicher Stelle landen: vor dem Landesverfassungsgericht. Die FDP ist entschlossen, in Münster zu klagen. Allerdings fehlt ihr für eine Normenkontrollklage gegen das Dienstrechtsmodernisierungsgesetz die erforderliche Stimmenanzahl von einem Drittel der Abgeordneten. Dazu braucht man beispielsweise die Unterstützung der CDU. FDP-Chef Christian Lindner rechnet damit, „dass die CDU ihre Zögerlichkeit überwindet und diesen eklatanten Angriff auf Motivation und Leistungsgerechtigkeit im öffentlichen Dienst mit uns gemeinsam aus der Welt schafft.“

Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) steht aber weiter hinter der Idee des neuen Gesetzes. Aus seinem Ministerium heißt es, dass die bisherige Frauenförderung faktisch ins Leere gelaufen sei. Der Frauenanteil nehme mit zunehmender Hierarchiestufe systematisch ab. Ein bei dem renommierten Staatsrechtler Hans-Jürgen Papier in Auftrag gegebenes Gutachten habe es für rechtlich geboten gehalten, einen schonenden Ausgleich zwischen zwei gleichrangigen Staatszielen herzustellen: Der Gleichstellung von Frauen durch die Beseitigung bestehender Nachteile einerseits und dem Prinzip der Bestenauslese im Öffentlichen Dienst andererseits.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort