Ursula von der Leyen: Tabubruch und Heldenpose

Politische Gegner, aber auch Parteifreunde sehen die Selbstinszenierung von Ursula von der Leyen (CDU) kritisch.

Ursula von der Leyen: Tabubruch und Heldenpose
Foto: Reuters

Berlin. Dass Ursula von der Leyen nicht nur Freunde hat, ist kein Geheimnis. Die Karriere der siebenfachen Mutter ist vielen im politischen Betrieb immer noch suspekt. Auch die Art und Weise, wie sie des öfteren sich und ihre Ziele in den Vordergrund gerückt hat. Stichwort Elterngeld, Stichwort Frauenquote oder Lebensleistungsrente - stets ging sie ohne viel Rücksicht vor. Jetzt ist von der Leyen Verteidigungsministerin. Und nun scheint sich aufgestauter Unmut an einem nicht unerheblichen Satz und einem Foto zu entladen.

„Wichtiger als die Frage, ob und welche Waffe wir am Ende liefern, ist die Bereitschaft, Tabus beiseitezulegen und offen zu diskutieren“, hatte die CDU-Ministerin vor zwei Wochen gesagt. Das war nicht lapidar daher geredet. Denn damit, so die politische Wertung, habe sie die Außen- und Sicherheitspolitik auf neue Füße stellen wollen.

Der Beschluss der Regierung, Waffen an die Kurden im Nordirak für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat zu liefern, wurde zudem von vielen als ein Beleg für die Neuausrichtung angesehen. Denn erstmals schickt Deutschland damit Waffen in ein Kriegsgebiet. Nur: SPD-Chef Sigmar Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann betonen seither, es gebe keinen Tabubruch oder Paradigmenwechsel. Auch CSU-Chef Horst Seehofer will davon nichts wissen. Oppermann forderte sogar am Montag im Bundestag, das „Gerede“ vom Tabubruch einzustellen.

Gemeint waren die Kritiker der Regierungsentscheidung — und Ursula von der Leyen. Viele auch in der Koalition fürchten einen Automatismus, und Wirtschaftsminister Gabriel steht auch bei seiner Basis im Wort, die Waffenlieferungen Deutschlands rapide zu reduzieren.

Hat sich von der Leyen also mit ihrer Äußerung vergaloppiert? Möglich. Anfänglich schien es so zu sein, dass die 55-Jährige ihrem alten Ruf gerecht werden würde: „Ihr geht es um die dicken Überschriften“, hieß es in von der Leyens Zeit als Familien- und Arbeitsministerin. Als Verteidigungsministerin kümmerte sie sich zunächst um dicke Soldaten, Kindergärten in der Kaserne und Flachbildschirme auf der Stube. Doch mit den neuen Krisen in der Welt schien sie auch von einer neuen Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit erfasst zu sein, was der Job im Verteidigungsressort zweifellos erfordert. Außerdem wird ihr nachgesagt, das Kanzleramt fest im Visier zu haben.

Mitte August entstand dann ein besonderes Foto von ihr: von der Leyen im Morgengrauen mit Sturmfrisur, den Blick in die Ferne gerichtet, die Arme verschränkt, im Hintergrund eine Transall-Maschine der Bundeswehr mit ersten Hilfsgütern für den Nordirak. Seitdem wird ihr neben einer falschen Wortwahl auch die unangebrachte Inszenierung einer heiklen, außenpolitischen Lage vorgeworfen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel soll am Montag in der SPD-Fraktion über das Foto gespottet haben. Selbst wenn von der Leyen im Kopierraum ihres Ministeriums stehe, schaue sie in die Ferne und lasse sich fotografieren, wird Gabriel zitiert. Es knirscht also in der Koalition wegen von der Leyen. Sie polarisiert mal wieder. Auf die Frage, ob sich die Ministerin äußern wolle, gar mit Gegenspott, antwortete ihr Sprecher am Mittwoch: „Sicher nicht.“ Beirren lassen hat sich von der Leyen auch noch nie.

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