Gastbeitrag TTIP - Nur eine Illusion von Transparenz

Marco Bülow (SPD) berichtet, wie Bundestagsabgeordnete im geheimen TTIP-Leseraum in Berlin gegängelt werden.

 TTIP-Unterlagen als Lesestoff: Seit dem 1. Februar können Parlamentatiar in Berlin Einsicht in die konsolidierten EU-US-Texte, die Verhandlungsvorschläge der USA und andere für das Verfahren relevante EU-Dokumente nehmen.

TTIP-Unterlagen als Lesestoff: Seit dem 1. Februar können Parlamentatiar in Berlin Einsicht in die konsolidierten EU-US-Texte, die Verhandlungsvorschläge der USA und andere für das Verfahren relevante EU-Dokumente nehmen.

Foto: Bernd von Jutrczenka

Berlin. Lange Zeit hatten nicht einmal die Bundestagsabgeordneten die Chance, die Unterlagen zum europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommen TTIP anzuschauen. Mit großem Getöse sollte dieser Missstand nun behoben werden: Im Berliner Wirtschaftsministerium wurde deshalb ein Leseraum eingerichtet. Dazu mein Bericht.

Ich lasse mich auf die reglementierten Besuchszeiten ein und mache mich auf den Weg zum Leseraum. Mein Mitarbeiter kommt nur bis zum Eingang. Zutritt nur für angemeldete Abgeordnete. Handy, Tasche, jedwede Elektronik muss ich abgeben. Abschriften sind verboten, handschriftliche Kurznotizen erlaubt. Über den Inhalt muss ich Stillschweigen bewahren. In der kargen Stube stehen einige PCs, an denen man sich die Dateien durchlesen kann. Ein Sicherheitsbeamter kontrolliert uns. Ich komme mir vor, als würde ich etwas Verbotenes tun.

Bei den Schriftstücken handelt es sich offiziell um „konsolidierte EU-US-Texte, die Verhandlungsvorschläge der USA wie auch andere relevante EU-Dokumente enthalten“. Es sind viele Dateien, 350 Seiten in einem bürokratischen, teilweise sehr fachspezifischen Englisch geschrieben. Stetig wird auf andere Unterlagen, Beschlüsse, Verordnungen und Verträge hingewiesen, die man natürlich nicht zur Hand hat. Man müsste diese Vorlagen alle kennen, zudem Jurist und Fachexperte bei den Einzelpunkten sein.

Wie wichtig wäre es, Passagen mit Mitarbeitern und anderen Abgeordneten zu besprechen, was aber verboten ist. Scheinbar sollen wohl auch Abgeordnete nicht in der Lage sein, zu verstehen, was für Maßnahmen sich hinter den Texten verbergen. Mein Kopf schwirrt. Aufgrund der Verbote ist es für mich nicht möglich, wirklich einen Überblick über den Verhandlungsstand bei TTIP zu erhalten. Es fehlen Erläuterungen und Ergebnisse der ersten Verhandlungsrunden. Alles bleibt im Vagen. Weiterhin können alle nur spekulieren.

Mit beklommenem Gefühl verlasse ich den Raum. Statt zu beweisen, dass man Lehren aus der Intransparenz gezogen hat, wurde mir hier nur die Antäuschung von Transparenz offenbart. Längst geht es auch darum, dass bei TTIP Demokratie und Transparenz missachtet werden. Auf Twitter und Facebook lösen meine Kommentare eine breite Diskussion aus, mehr als eine Million Nutzer haben meinen Beitrag alleine bei Facebook gesehen. Man spürt, wie greifbar die Enttäuschung ist.

Das Vertrauen in die Politik wird weiter schwinden und Populisten werden weiter gestärkt. Eine Elite handelt Verträge zu ihrem eigenen Nutzen aus und will um jeden Preis Bürger, Medien und legitimierte Politik außen vor lassen. Lobbyisten von einigen Großkonzernen geben die Leitlinien der Politik vor und zementieren sie in internationalen Verträgen. Die Beschlüsse wird man nicht wieder zurückholen können.

Ich werde mich weiterhin für einen Verhandlungsstopp einsetzen. Bis dahin muss es darum gehen, wirkliche Transparenz einzufordern. Die Bundesregierung muss in der EU endlich eine transparente, demokratische Debatte über TTIP erzwingen. Dazu gehört, dass auch die Öffentlichkeit diese Papiere lesen kann und dass diese übersetzt werden. Nur so kann ein echter demokratischer Prozess stattfinden. Abgeordnete brauchen die Chance, die Texte zu analysieren und zu besprechen. Die Bevölkerung muss die Auswirkungen von TTIP ausbaden, also müssen sie auch informiert und beteiligt werden. Zudem muss endlich durchgesetzt werden, dass die Nationalparlamente dem Abkommen zustimmen müssen, bevor die EU sie ratifizieren kann.

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