Verhandlungen TTIP: Hormonfleisch gegen Mercedes
Bei TTIP liegen EU und USA noch weit auseinander. Aber das war auch ohne die von Greenpeace veröffentlichten Papiere klar.
Düsseldorf. Als US-Präsident Barack Obama vor einigen Tagen bei der weltgrößten Industriemesse in Hannover zu Besuch war, wurde es richtig laut. Zehntausende Gegner des transatlantischen Freihandelsabkommens (TTIP) machten ihrem Unmut Luft. Sie werden sich durch die von Greenpeace veröffentlichten Dokumente bestätigt fühlen. Dabei belegen die Papiere nur, was sowieso klar war: In zentralen Fragen sind Amerika und die EU noch sehr weit auseinander. Wer daraus ein grundsätzliches Nein zu TTIP ableitet, springt allerdings zu kurz und riskiert einen ökonomischen Flurschaden erster Ordnung.
TTIP hat in der Öffentlichkeit keine Lobby. Die Angst vor der Globalisierung mischt sich bei manchen Kritikern des Abkommens mit plumpem Anti-Amerikanismus. Dabei kann niemand ernsthaft bestreiten, dass Deutschland vom regen Handel mit anderen enorm profitiert. Jeder zweite Arbeitsplatz in der Industrie hängt am Export. Hinter TTIP steht eine gute Idee.
Es es schlicht falsch, dass das geplante Abkommen mit den USA alle Standards in der EU zugunsten der Wirtschaft aufweicht. Bei Medizinprodukten zum Beispiel sind die Auflagen jenseits des Atlantiks höher. Den Banken und Börsen schauen die Aufsichtsbehörden in den USA ebenfalls genauer auf die Finger. Und dass die Grenzwerte zum Ausstoß von Stickoxiden bei Autos in den Staaten strenger als in der EU sind, hat der VW-Skandal eindrucksvoll gezeigt.
EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hat in ihrem Blog zu den von Greenpeace veröffentlichten Dokumenten klar Stellung genommen. Vielfach werde der Eindruck erweckt, die Papiere würden ein Verhandlungsergebnis wiedergeben. „Dies ist falsch“, schreibt Malmström, die mit EU-Chefunterhändler Ignacio Garcia Bercero die TTIP-Gespräche mit den USA führt. Die Papiere würden lediglich die Verhandlungspositionen beider Seiten darlegen „und in keiner Weise ein Verhandlungsergebnis vorwegnehmen“.
Unstrittig ist aber, dass es hinter den Kulissen mächtig knallt. Washington will das in Europa geltende Vorsorgeprinzip und damit einen Eckpfeiler der EU-Umweltpolitik kippen. Produkte sind demnach nur erlaubt, wenn sie für Mensch und Umwelt nachweislich unschädlich sind. In den USA gilt dagegen das Risikoprinzip. Die Behörden müssen zweifelsfrei nachweisen, dass von einem Stoff eine Gefahr ausgeht, damit er vom Markt genommen werden kann.
In den Staaten sind etliche Produkte frei verfügbar, die in der EU nicht gehandelt werden dürfen. Das gilt für Hormonfleisch sowie genmanipulierte Pflanzen und Lebensmittel ebenso wie für viele Chemikalien und Kosmetika.
Taktisch geschickt verbindet US-Verhandlungsführer Dan Mullaney die Hoffnungen der europäischen Autobauer mit den Zielen der US-Agrarindustrie. Er blockiert Exporterleichterungen für die Autobauer Europas, um im Gegenzug zu erreichen, dass die EU mehr Lebensmittel aus den USA abnimmt: Hormonfleisch gegen Mercedes. Kompromisse scheinen bei diesem Geschäft aber nicht in Sicht. „Kein EU-Handelsabkommen wird das Schutzniveau für Verbraucher und Umwelt oder bei der Lebensmittelsicherheit absenken“, so Malmström.
Schwierig dürfte auch eine Einigung beim Streit um private Schiedsgerichte sein. Die USA verweigern sich dem dringenden Wunsch der Europäer, die umstrittene private Regelung von Konflikten durch öffentliche Gerichte zu ersetzen.
Ob TTIP insgesamt an solchen Punkten scheitern kann, lässt sich nur schwer einschätzen. Die Amerikaner lehnen bisher ein „TTIP light“ ab. „In Bereichen, in denen wir in einer Verhandlung zu weit auseinanderliegen, werden wir uns schlicht nicht einigen“, schreibt dagegen EU-Kommissarin Malmström. Ein riesiges Problem sieht sie darin offenbar nicht.
Die erste Verhandlungsrunde zum Abkommen zwischen der EU und den USA fand im Juli 2013 in Washington statt. Inzwischen haben 13 Treffen stattgefunden. Das offizielle Ziel ist es, die Gespräche noch in diesem Jahr abzuschließen. Die entscheidenden Sitzungen könnten zwischen der Wahl des neuen US-Präsidenten und der Amtsübergabe am 20. Januar 2017 stattfinden.