Testballon oder Tauwetter?

Moskau setzt Stationierung in Kaliningrad vorerst aus. Hoffnung auf eine positive US-Reaktion.

Moskau. Südkaukasus-Krieg, Raketendrohungen und ein wochenlanger Gasstreit: Russland hat sich in jüngster Zeit nicht gerade kompromissbereit präsentiert. Da lässt die aus dem Moskauer Generalstab verkündete Aussetzung der Raketenstationierung an der Ostsee aufhorchen.

Grund dafür ist offenbar der Machtwechsel in Washington und die damit verbundene Hoffnung in Moskau, dass die Pläne für die umstrittene US-Raketenabwehr in Mitteleuropa nun doch nicht umgesetzt werden. Unklar blieb, ob es sich um einen russischen Testballon oder schon um deutliche Signale einer Wiederannäherung zwischen den Regierungen in Moskau und Washington handelt.

Der neue Präsident Dmitri Medwedew hatte sich im vergangenen November noch ziemlich deutlich in der Raketenfrage geäußert. Die USA ließen mit ihren Plänen für eine Raketenabwehr in Mitteleuropa Russland keine andere Wahl, als in der Ostsee-Exklave Kaliningrad, dem Gebiet um das frühere Königsberg, Raketen vom Typ "Iskander" zu stationieren. Sie sollten dazu dienen, "bei Bedarf die Raketenabwehr (der Amerikaner) zu neutralisieren".

An Medwedews Erklärung überraschte eigentlich nur der Zeitpunkt. Der kalte Gruß aus Moskau erreichte die USA einen Tag nach der Wahl von Barack Obama, als alle Welt mit Ausnahme der Russen die Hoffnung auf eine bessere Zusammenarbeit mit der US-Regierung zum Ausdruck brachte.

Schon kurz darauf stellte Medwedew den Amerikanern in Aussicht, auf die Raketen an der Ostsee zu verzichten, falls auch Washington einlenke. Doch die Regierung des damaligen Präsidenten George W. Bush lehnte einen Verzicht auf die Raketenabwehr ab.

Medwedews Vorgänger im Präsidentenamt, Regierungschef Wladimir Putin, ließ zuletzt keine Gelegenheit ungenutzt, um seine Zuversicht für ein besseres Klima mit Washington zu demonstrieren. Obamas Berater hätten durchblicken lassen, dass ihnen weder die Raketenabwehr noch die Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die Nato so sehr am Herzen liege wie der Bush-Administration. Zudem bot Moskau der Nato an, das russische Territorium für den Transport ziviler Militärgüter in Richtung Afghanistan zu öffnen.

Wie auch immer das jüngste Moskauer Raketen-Signal zu bewerten ist: Viel Aufwand erfordert die Stationierung jedenfalls nicht. Die "Iskander"-Raketen sind für den mobilen Einsatz auf geländegängigen Lastwagen konzipiert und können damit jederzeit schnell verlegt werden.

In der Nato wurde die angekündigte Aussetzung der "Iskander"-Stationierung gestern begrüßt. "Wenn darauf verzichtet würde, dann wäre das ein guter Schritt", sagte eine Nato-Sprecherin in Brüssel. Erst am Montag hatten sich die Botschafter der 26 Nato-Staaten erstmals nach dem georgischen Angriff auf Südossetien im August wieder mit dem russischen Nato-Botschafter Dmitrij Rogozin getroffen.

In Deutschland begrüßte der FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende Guido Westerwelle die russische Ankündigung. Zugleich forderte Westerwelle im Gegenzug einen Verzicht der USA auf die Stationierung ihres umstrittenen US-Raketenabwehrsystem in Mitteleuropa. Die neue US-Regierung müsse "die ausgestreckte Hand Russlands" ergreifen, sagte Westerwelle. Er forderte die Bundesregierung auf, in diesem Sinne diplomatische Initiativen zu ergreifen.

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