Politik Teil 2: Referendum ohne Rechtfertigung

Max Weber hatte 1919 in einem Vortrag über „Politik als Beruf“ festgehalten: „Keine Ethik der Welt kommt um die Tatsache herum, dass die Erreichung ,guter‘ Zwecke in zahlreichen Fällen daran gebunden ist, dass man sittlich bedenkliche oder mindestens gefährliche Mittel und die Möglichkeit oder auch die Wahrscheinlichkeit übler Nebenerfolge mit in den Kauf nimmt, und keine Ethik der Welt kann ergeben: wann und in welchem Umfang der ethisch gute Zweck die ethisch gefährlichen Mittel und Nebenerfolge ,heiligt‘.“

 Ein großes Plakat mit einem Porträtfoto des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hängt am Taksim-Platz in Istanbul (Türkei).

Ein großes Plakat mit einem Porträtfoto des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hängt am Taksim-Platz in Istanbul (Türkei).

Foto: Lefteris Pitarakis

Das beschreibt das Dilemma vor allem deutscher Außenpolitik gegenüber Trump, Putin und Erdogan einigermaßen treffend. Nach ihrem Selbstverständnis ist das außenpolitische Handeln der Bundesregierung an „einer Reihe von Konstanten und Grundprinzipien“ orientiert, wozu unter anderen „die Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten“ gehört.

Dazu passt es hinten und vorne nicht, dass die Bundesregierung der Republik Türkei ihre Zustimmung zur Abstimmung über die türkische Verfassungsreform gegeben hat, die für türkische Staatsbürger in Deutschland vom 27. März bis zum 9. April stattfinden soll. Denn das Referendum hat erkennbar das Ziel, die Demokratie in der Türkei zu beseitigen, die Rechtsstaatlichkeit endgültig aufzugeben und Menschenrechte zu missachten.

Allein in der vergangenen Woche sind — und das nur nach Angaben des türkischen Innenministeriums — weitere 2000 Menschen in der Türkei unter dem Vorwand festgenommen worden, dass sie Kontakt zu „Extremisten“ gehabt haben oder mit der auch in Deutschland verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in Verbindung stehen sollen. Staatliche Stellen in der Türkei haben seit Sommer 2016 insgesamt mehr als 40 000 Menschen inhaftiert.

Mehr als 100 000 Menschen wurden aus dem öffentlichen Dienst und dem Militär entlassen oder beurlaubt. All dies geschieht auf Grundlage des bereits zweimal verlängerten Ausnahmezustands, den Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan nach dem mysteriösen Putschversuch vom 15. Juli 2016 verhängt hatte.

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