Studenten wollen vor allem in den öffentlichen Dienst

Bei den Berufsplänen nimmt der Staat den Spitzenplatz ein. Die Attraktivität der Autoindustrie bricht dagegen ein.

Die deutsche Flagge weht vor dem neuen Bundesinnenministerium (BMI) in Berlin. Deutschlands Studenten setzen bei der Berufswahl stärker auf Sicherheit und einen Job beim Staat.

Die deutsche Flagge weht vor dem neuen Bundesinnenministerium (BMI) in Berlin. Deutschlands Studenten setzen bei der Berufswahl stärker auf Sicherheit und einen Job beim Staat.

Foto: Rainer Jensen

Düsseldorf. Deutschlands Studenten streben in den öffentlichen Dienst. 41 Prozent sehen ihn für ihre beruflichen Pläne als „besonders attraktiv“ an — das ist ein Plus von neun Prozentpunkten gegenüber der vorangegangenen Befragung vor zwei Jahren. Damit nimmt der Staatsdienst den Spitzenplatz ein. Einen Attraktivitätseinbruch verzeichnet dagegen die Autoindustrie: Sie stürzte von 22 auf acht Prozent ab (Platz acht).

Das weltweite Netzwerk EY (Ernst & Young), in dem Wirtschaftsprüfer, Steuer- und Unternehmensberater zusammengeschlossen sind, lässt regelmäßig untersuchen, in welche Branchen es die Studenten in Deutschland zieht. Für die EY-Studentenstudie 2018 wurden 2000 Studenten in 27 Universitätsstädten befragt. Sie bevorzugen für ihre beruflichen Pläne nach dem öffentlichen Dienst vor allem Kultureinrichtungen (22 Prozent), die Wissenschaft (20), die sonstige Industrie (ohne Autoindustrie), das Gesundheits- und Pharmawesen sowie Beratung/Prüfung (jeweils 14).

Bei Top-Studenten mit exzellenten Studienleistungen fällt laut Studie der Attraktivitätszuwachs des öffentlichen Dienstes sogar noch stärker aus — von 22 auf jetzt 41 Prozent. Oliver Simon, Leiter der EY-Personalabteilung im deutschsprachigen Raum, sieht das auch kritisch. Es gebe zu denken, „dass die freie Wirtschaft trotz besserer Bezahlung für viele junge Menschen offenbar nicht allzu attraktiv ist. In den Unternehmen entstehen die Innovationen und Produkte, die Deutschlands Wirtschaft weltweit so erfolgreich gemacht haben.“ Zukunftswissenschaftler Horst Opaschowski hat eine Erklärung für diese Entwicklung: „Die jungen Menschen wachsen heute in unsicheren Krisenzeiten auf und fühlen sich fast wie eine ,Generation Krise’“, sagte er dieser Zeitung. „Sicherheit ist die neue Freiheit der jungen Generation.“

Eine These, die innerhalb der Studie durch die Rangfolge der wichtigsten Faktoren bei der Wahl des künftigen Arbeitgebers bestätigt wird: Dort rangiert die Jobsicherheit mit Abstand auf dem ersten Platz, gefolgt von Gehalt, Kollegialität und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Für Trendforscher Matthias Horx ist die Annahme, Studenten müssten immer rebellisch und antistaatlich sein, ohnehin ein Klischee der 68er-Zeit. „Der öffentlichen Dienst hat heute ein viel besseres Image und bietet vielleicht auch manch sinnvolle Karriere. Man muss ja nicht immer Beamter werden wollen.“ Dass die Autoindustrie dagegen so massiv an Attraktivität verloren hat, erklärt Horx damit, dass dieser Zweig seine „erotische Blütezeit“ hinter sich habe. Für Opaschowski auch eine Folge der anhaltenden Glaubwürdigkeitskrise der Branche: Die junge Generation fühle sich „nicht mehr nur für die Produktqualität, sondern auch für die Ethikqualität des Produzenten verantwortlich“.

Personaler Simon sieht zwar auch die Dieselkrise als eine mögliche Ursache: „Gravierender dürfte allerdings sein, dass Ingenieure inzwischen vermehrt in die IT-Branche streben.“

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