#USWahl16 Mister Trump betritt die Bühne

Der künftige US-Präsident überrascht seine Anhänger bereits mit seiner ersten Äußerung nach der gewonnenen Wahl — und dabei wird es sicher nicht bleiben.

Hilton Hotel, New York, 8.40 Uhr deutscher Zeit: Donald Trump auf dem Weg zu seinen Anhängern.

Hilton Hotel, New York, 8.40 Uhr deutscher Zeit: Donald Trump auf dem Weg zu seinen Anhängern.

Foto: Shawn Thew

New York. Die Anhänger des Immobilien-Erben und Laien-Schauspielers Donald John Trump dürften gestaunt haben, als ihr Kandidat am frühen Mittwochmorgen vor die Mikrofone trat: Er wolle der Präsident aller Amerikaner werden, erklärte der künftige US-Präsident, und er brauche auch den Rat derer, die nicht für ihn gestimmt hätte. Wie bitte? Keine Beleidigungen? Keine Schreierei? Keine Forderung, Hillary sofort zu verhaften? Dies wird nicht die einzige Enttäuschung der gebeutelten weißen Mittel- und Unterschicht bleiben, die Trump ihre Stimme gaben.

Sollte er jemals antreten, sagte Trump 1998 dem Magazin „People“, dann als Republikaner, weil diese die dümmste Wählerschaft im Land hätten: Sie glaubten alles, was auf Fox News laufe. Er könne lügen und sie würden es fressen und er wette, seine Zahlen würden hervorragend sein. Europäische Politiker wollten aus den versöhnlichen Tönen am Mittwoch schließen, dass es in der Wirklichkeit vielleicht doch nicht so schlimm werde wie in Trumps Wahlkampf. Glaubt man Trumps „Parteifreund“ Ted Cruz, so hat sein Gerede weiter gar nichts zu bedeuten, weil Trump nun einmal ein „krankhafter Lügner“ sei und den Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge überhaupt nicht kenne.

Für Cruz ist Trump zudem völlig unmoralisch, und jemand, der ständig genau das tue, was er anderen vorwerfe. Kurz: Aus dem, was Donald Trump redet, lässt sich gar nichts schließen. Sowohl die Amerikaner wie auch der Rest der Welt werden abwarten müssen, was Trump nun tut. Er ist schlicht so unberechenbar, wie es der Ausgang der Wahl war. Schon den Brexit hatte die Mehrheit der Europäer nicht für möglich gehalten. Dass jemand mit Gewalt den Ast absägt, auf dem er sitzt, und das als Sieg über den Baum feiert, galt in der westlichen Welt lange als nicht vorstellbar. Trump hat seinen Anhängern einen „Brexit plus, plus, plus“ angekündigt, und es spricht viel dafür, dass genau das auch eintritt — nur völlig anders, als Trumps Wähler sich das vorstellen.

Daher wundert es nicht, dass Wladimir Putin als einer der ersten zu diesem folgenreichen zweiten Brexit gratulierte. Schließlich ist der russische Präsident der eigentliche Gewinner der US-Wahl, denn das Ergebnis trägt zu weiteren Spaltung des Westens bei: Es wird mutmaßlich die Handelsbeziehungen zwischen den USA und Europa belasten. Es gefährdet die Stabilität und Entschlossenheit der Nato als einzigem Bollwerk gegen den russischen Expansionsdrang in Ost-Europa. Und Trumps wirre Fantasien von einem abgeschotteten, protektionistischen Amerika werden vor allem die US-Wirtschaft in einem kritischen Moment treffen. Es was besseres kann dem Kreml-Herrscher kaum passieren.

Trump twitterte nach seiner zahmen Sieges-Rede, es sei ein wundervoller und wichtiger Abend: „Die vergessenen Männer und Frauen werden nie wieder vergessen werden. Wir werden alle zusammen kommen wie nie zuvor.“ Was das wirklich bedeutet, könnte wahrscheinlich am besten Ted Cruz erklären. Es soll wohl bedeuten, dass sich Trump nicht von den gemäßigten Republikanern im Senat und im Repräsentantenhaus einfangen lassen will, sondern sich in seiner Rolle als Volkstribun sonnen will. Die Republikaner werden sich wundern, wie wenig republikanisch dieses „nicht vergessen“ ausfallen kann, wenn es Donald Trump gerade so gefällt.

Der gewählte 45. Präsident der Vereinigten Staaten ist nicht nur der Held der Mühseligen und Beladenen in den USA, sondern auch aller Rechtspopulisten Europas, die nun natürlich Morgenluft wittern, und die endlich auch gern eine Säge für den eigenen Ast hätten. Ob sie sie bei den nächsten Wahlen in Europa in die Hand bekommen, hängt nicht von ihnen ab, sondern davon, was die bürgerliche Politik Europas aus dem Brexit und der US-Wahl lernt, und ob ihr das schnell genug gelingt. Denn Trump hat die Wahl nicht gewonnen, weil er auf übelsten Populismus, erkennbare Lügen, Diffamierungen und schlimmste Angriffe setze, wie NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft am Mittwoch seinen Sündenkatalog referierte. Er wurde trotz all dem gewählt, weil es ausgerechnet ihm gelang, einem Multimilliardär, sich als Kandidat gegen ein politisches Establishment zu präsentieren, dem viele Wähler keinen echten Willen zur Veränderung abnahmen.

Überhaupt kein Anlass besteht nach Trumps Wahlsieg, sich in antiamerikanischer Überheblichkeit zu ergehen. Die amerikanische Demokratie existiert seit 240 Jahren. Sie hat seitdem Krisen und Kriege überstanden. Aber sie ist — im Gegensatz zu den meisten Ländern Europas — in nahezu einem Vierteljahrtausend nie in der Gefahr gewesen, in eine Diktatur abzurutschen. Sie wird auch Donald Trump überstehen. Die Frage ist, zu welchem Preis für das Land und den Rest der Welt.

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