Studie „Kehrt die Angst zurück?“ - die Silvesternacht von Köln

Vor fast einem Jahr schreckten die Exzesse auf dem Kölner Bahnhofsvorplatz die Menschen auf. Sie sorgten aber nicht nur in Deutschland für Aufregung, sie wurden weltweit beachtet. Forscher des Rheingold Salon untersuchten in den vergangenen Monaten in einer Studie, was Menschen in New York, Shanghai und Sydney an den Ereignissen in Köln berührt hat und was wir davon lernen können.

Die massenhaften Übergriffe der vergangenen Silvesternacht von Köln wurden auch im Ausland wahrgenommen.

Die massenhaften Übergriffe der vergangenen Silvesternacht von Köln wurden auch im Ausland wahrgenommen.

Foto: Markus Boehm

Köln. Während in den Medien überwiegend vom Bahnhofsvorplatz in Köln die Rede war, wurde international sehr wohl wahrgenommen, dass die Silvester-Exzesse im Schatten des Kölner Doms stattgefunden haben. Auch wenn der Dom namentlich nicht jedem bekannt war, so blieb doch seine einzigartige Gestalt meist prägend in Erinnerung. Eine kleine Episode verdeutlich dies: Eine der Forscherinnen zückte in einem australischen Restaurant nur eine Kreditkarte, auf der ein Bild mit dem Kölner Dom aufgebracht war. Die australische Kassiererin erkannte die Silhouette der Kirche wieder und rief spontan: „Your town is in trouble“ — ihre Stadt ist in Schwierigkeiten!

Köln wurde dadurch zu einem Ort, an dem die persönliche Sicherheit nicht mehr in dem Maße gewährleistet ist, wie man es bislang für deutsche Orte gewohnt war. Immer wieder wurden daher Sorgen und Forderungen nach mehr Sicherheitsmaßnahmen für den Dom im Umfeld der Studie geäußert.

Ob in New York, Shanghai oder Sidney - in allen drei Metropolen spielte ein Symbol die Hauptrolle: Der Dom. Der Dom repräsentierte für die Befragten nahezu überall die bestehende Ordnung. Die Befragten wünschten sich im übertragenen Sinne „mehr Dom“ — also mehr Beständigkeit, Verlässlichkeit und Stabilität. Der Dom ist den befragten Menschen ein Symbol, das unbedingt erhalten werden muss.

Amerikaner, Australier und Chinesen reagierten unterschiedlich auf die Silvesterereignisse. „Vermeidung“ war die Strategie vieler Chinesen: Sie wollten Köln vorerst nicht mehr so gerne besuchen. Die Befragten in New York und Sidney fühlten sich an die Spannungen zwischen Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund in ihren eigenen Ländern erinnert. In den USA und Australien ist der Lebensalltag oft von einer tiefen „Spaltung“ und latenten Animositäten zwischen den Bevölkerungsgruppen geprägt. Das „Nebeneinanderherleben“ wird jedoch als keine wirklich gute Lösung erlebt.

Und weil diese Differenzen und Konflikte im Alltag dadurch ungelöst erscheinen, führt dies aus ihrer Sicht zu gefühlter Angst und Unsicherheit im eigenen Land. Sie berichten davon, dass diese Angst auch dann latent vorhanden ist, wenn im gelebten Alltag ansonsten praktisch keine konkreten Bedrohungen vorliegen. Denn indem jede Kultur für sich bleibt, schafft dies zwar einerseits eine Art innere Sicherheit; andererseits bleibt aber immer eine Grundangst vor den „Anderen“ und eventuellen Übergriffen wie in Köln.

Was tun? Nimmt man die Ergebnisse der Studie wird es Zeit, dass wir uns mit den „Neuen“, ihren verschiedenen Kulturen, ihrer Moral aber auch der Doppelmoral auseinandersetzen, uns mit ihnen streiten, auf Regeln bestehen, aber auch von ihnen lernen — dann kann es für alle ein Gewinn werden. Denn selbst wenn sich die diskutierte Obergrenze von 200.000 Migranten pro Jahr durchsetzen sollte, erscheint die Zahl am Ende zu groß, um ein Aufeinandertreffen der Kulturen zu verhindern.

Ein Nebeneinander ohne Kenntnis und Austausch birgt dagegen viele Gefahren wie Amerikaner und Australier deutlich machen. Das bedeutet auch für uns Deutsche die Bereitschaft zur Veränderung. Das heißt, wir müssen in Deutschland wirklich mehr als nur ein freundliches Gesicht machen, wenn wir so viele Menschen in Deutschland aufnehmen.

Es bedeutet Kampf und Auseinandersetzung aber auch positive Einflüsse und Veränderung. Dies sind die Lehren, die uns vor allem die Australier und Amerikaner in der Studie mit auf den Weg gegeben haben.

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