Volksaufstand im Urlaubsparadies

Die Menschen rebellieren gegen wachsende Armut, Korruption und die Arroganz der Macht.

Tunis. Steine und Molotow-Cocktails fliegen. Junge Demonstranten brüllen: „Schluss mit der Unterdrückung.“ Und: „Verteilt den Wohlstand im Land.“ Die Polizei des mit eiserner Hand regierenden Staatspräsidenten Zine el-Abidine Ben Ali (74) antwortet mit Knüppeln, auch mit Schüssen. Mindestens 20, vielleicht sogar 50 Demonstranten sollen bei den Unruhen bisher getötet worden sein, berichten Oppositionelle.

Vor allem europäische Sonnenanbeter fliegen gerne mal schnell in das nordafrikanische Wüstenland, an dessen Mittelmeerküste auch im Winter frühlingshafte Temperaturen locken. Alleine aus Deutschland, dem drittgrößten Handelspartner des Ben-Ali-Reiches, kommen jedes Jahr rund eine halbe Million Urlauber. Die EU, wichtigster Wirtschaftsgefährte und politischer Verbündeter Tunesiens, schweigt bisher zur gewaltsamen Unterdrückung der Proteste. „Man hat sogar auf Leichenzüge geschossen“, berichtet Ahmed Nejib Chebbi von der tunesischen Oppositionspartei PDP. Es soll hunderte Verletzte gegeben haben. Auch über Massenverhaftungen wird berichtet.

Die Informationslage ist schwierig, da es in Tunesien keine unabhängigen Medien gibt und kritische Journalisten verfolgt, auch verhaftet werden. Ausländische Korrespondenten werden ebenfalls behindert oder die Einreise wird ganz verweigert.

Der Aufstand der frustrierten Jugend breitete sich inzwischen auf das Nachbarland Algerien aus, wo Armut und Arbeitslosigkeit noch schlimmer als in Tunesien sind. Auch in Algerien, wo etwa 35 Millionen Menschen leben, gibt es seit Tagen gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei, in der Hauptstadt Algier wie in der Provinz. Öffentliche Gebäude wurden in Brand gesteckt, Geschäfte geplündert. Bisher wurden fünf Tote und annähernd 1000 Verletzte gemeldet.

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