Nach dem Umsturz: Tunesien auf der Suche nach Normalität

Umsturz: Reporter schwer verletzt, möglicherweise tot. Gespräche über Regierungsbildung. Lebensmittel werden knapp.

Tunis. Nach dem Sturz des tunesischen Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali haben die größten Parteien des Landes mit Verhandlungen über eine Regierung der nationalen Einheit begonnen. Der neue Übergangspräsident Foued Mebazaa versprach einen demokratischen Machtwechsel.

„Alle Tunesier müssen ausnahmslos in den politischen Prozess eingebunden werden“, sagte Mebazaa. Der Verfassungsrat hatte ihn zum Übergangspräsidenten ernannt, nachdem Ben Ali am Freitag nach Saudi Arabien geflohen war. Mebazaa muss nun binnen 60 Tagen Wahlen ansetzen. Der scheidende Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi wurde mit der Regierungsbildung beauftragt.

Unterdessen öffneten in Tunis zwar wieder vereinzelt Geschäfte, dort bildeten sich aber lange Schlangen. „Uns fehlen Brot und Mehl“, sagte eine Einwohnerin.

Unklar ist derweil das Schicksal eines deutsch-französischen Fotografen, der bei den Unruhen am Freitag von einer Tränengasgranate am Kopf getroffen wurde. Am Sonntag hieß es zunächst, der 32-jährige Lucas Mebrouk Dolega sei seinen Verletzungen erlegen. Am Sonntagabend meldete die Deutsche Presse-Agentur (dpa) unter Berufung auf das französische Konsulat in Tunis, Dolega sei noch am Leben, sein Zustand sei jedoch ernst. Bereits in der Nacht zu Sonntag hatte seine deutsche Mutter Karin von Zabiensky den Gesundheitszustand ihres Sohnes als sehr ernst beschrieben. Die Bild-Agentur epa beliefert auch die Deutsche Presse-Agentur dpa mit Fotos.

Derweil bedauerte Libyens Staatschef Muammar Gaddafi den Sturz Ben Alis. Dieser sei „nach wie vor rechtmäßiger Präsident“ Tunesiens, es gebe keinen besseren als ihn, sagte er. Abgesehen davon hielten sich die arabischen Staaten mit Reaktionen zurück. Saudi Arabien bestätigte lediglich die Aufnahme Ben Alis, Ägyptens Präsident Husni Mubarak erklärte, er respektiere „die Wahl des tunesischen Volkes“. Allerdings gingen in Jemens Hauptstadt Sanaa rund 1500 Studenten auf die Straße und riefen zum Sturz der Regierung nach dem Vorbild von Tunesien auf. In Algerien übergoss sich ein verzweifelter Arbeitsloser mit Benzin und zündete sich an. Er überlebte schwer verletzt.

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