Hoffnung auf eine bessere Zukunft

Das Land hat eine echte Chance auf eine demokratische Entwicklung. Die Rolle der Islamisten im Land ist noch unklar.

Tunis. In Tunesien keimt die Hoffnung auf eine neue, eine bessere Zeit. Nach 23 Jahren unter der autoritären Herrschaft von Zine el Abidine Ben Ali hat das nordafrikanische Land eine echte Chance, den Weg zur Demokratie zu finden. In der gestern vorgestellten Übergangsregierung sind immerhin drei führende Oppositionspolitiker vertreten. Noch vor zwei Wochen hätte dies niemand für möglich gehalten.

Dass Führungskräfte des am Freitag gestürzten Regimes zunächst ihr Amt behalten, wird zähneknirschend in Kauf genommen. Keiner der Oppositionellen hat auch nur einen Hauch von Regierungserfahrung. Die Bürger trauen der Kooperation nicht und machen ihrem Ärger Luft. „Wir wollen niemanden mehr von der RCD, das ist das alte, korrupte System“, schimpfte ein Mann auf der Avenue Bourguiba. „Wir müssen aufpassen, dass niemand uns unsere Revolution stiehlt“, sagte ein anderer in der Markthalle von Tunis.

Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi kommt mit starken Gesten daher, um das Volk vom Neuanfang zu überzeugen: Amnestie für politische Gefangene, verbotene Parteien sollen zugelassen werden, Nichtregierungsorganisationen wieder arbeiten dürfen — unter ihnen auch die Menschenrechtsliga.

Fraglich ist, ob sich die Wahlen tatsächlich wie von der Verfassung vorgesehen innerhalb von 60 Tagen organisieren lassen. Die Opposition ist schlecht aufgestellt, die meisten ihrer Führungskräfte alt und wenig bekannt. Erste Stimmen fordern deshalb eine Verschiebung der Wahl um sechs Monate, um den künftigen Kandidaten eine bessere Chance zu geben, ihre Programme vorzubereiten.

Viele Tunesier blicken trotz der Gewalt und brutalen Übergriffe in den vergangenen Tagen zuversichtlich in die Zukunft. „Wir sind ein gut gebildetes Volk, wir haben viele fähige Menschen“, sagte eine Frau auf dem Markt. Unruhen seien doch normal in einer Übergangsphase. „Wir sind so froh, dass wir endlich unsere politische Führung frei bestimmen können.“

Die meisten von Ben Alis überdimensionalen Porträts in der Stadt sind inzwischen abgerissen und auf dem Müll. Auch in den Geschäften hängen die Händler die offiziellen Porträts ab. Auf den Straßen wird offen über Politik diskutiert. „Ich hätte nie gedacht, dass das so schnell geht“, sagt Anselm Duchrow, der für die Entwicklungsorganisation GIZ in Tunis arbeitet. „Es herrscht eine irre Aufbruchstimmung.“

Unklar bleibt die Rolle der Islamisten im Land. Die bislang verbotene Bewegung Al-Nadha ist vorerst nicht an der Übergangsregierung beteiligt. Ihr im Londoner Exil lebender Chef, Raschid Ghannouchi, will jedoch noch diese Woche nach Tunesien zurückkehren.

Dass er von einem Großteil der Bevölkerung willkommen geheißen wird, kann er nicht erwarten. „Halt die Klappe! Das ist unsere Revolution, nicht Deine“, bekamen Islamisten zu hören, wenn sie allzu lauthals den Sturz Ben Alis feierten.

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