Rösler und der Chef in Reserve

Auf dem Parteitag stiehlt Lindner dem Vorsitzenden die Schau.

Karlsruhe. Die Zukunft von Philipp Rösler entscheidet sich am 13. Mai um 18 Uhr. Wenn die ersten Prognosen zum Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen im Fernsehen laufen, wird der 39-Jährige wissen, ob er in Karlsruhe seinen letzten Parteitag als FDP-Vorsitzender erlebt hat.

Am Samstag hatte Rösler 72 Minuten Zeit, die Freidemokraten aufzurichten und Zweifel an seiner Führungsstärke auszuräumen. Der Vizekanzler wirkte verkrampft. Nach den Wahlniederlagen — zuletzt im Saarland mit 1,2 Prozent — ist aus dem Politiker Rösler ein anderer geworden. Das mediale Dauerfeuer, die Fehden mit der Union, die Ränkespiele in der FDP, die Dreifachbelastung in Partei und Koalition haben Spuren hinterlassen.

Rösler redete lange. Der Wirtschaftsminister schimpfte über den „schwarz-rot-grünen Einheitsbrei“, den die politische Konkurrenz über die Republik gieße. Am Ende erhoben sich alle pflichtschuldig zum Applaus. Trotz aller Appelle zur Geschlossenheit bekam der Rösler-Vertraute Patrick Döring bei der Wahl zum neuen Generalsekretär nur 72 Prozent der Stimmen.

Spätestens an diesem Wochenende dürfte den meisten FDP-Mitgliedern zudem klar geworden sein, dass Ex-Generalsekretär Christian Lindner ein Parteichef in Reserve ist. Nur 22 Minuten dauerte sein „Grußwort“. Das reichte dem 33-jährigen NRW-Spitzenkandidaten der Partei, sein Können zu beweisen. Seinen Kritikern, die ihm im Dezember nach dem Rücktritt Fahnenflucht vorwarfen, sagte Lindner: „Ich scheue mich nicht vor schwierigen Aufgaben.“

Wer aber glaubt, Lindner sei als nächster FDP-Chef gesetzt, könnte die Rechnung ohne Fraktionschef Rainer Brüderle gemacht haben. Der bald 67-Jährige könnte die Liberalen konsolidieren und wieder in den Bundestag führen. Und Lindner könnte später übernehmen. Am Donnerstag jedenfalls zeigte Brüderle, dass nicht nur der fast 35 Jahre jüngere Lindner einen Parteitag begeistern kann — und riss die Delegierten bei seiner Rede mit.

Zum Abschluss verabschiedete der Parteitag das neue Grundsatzprogramm „Verantwortung für die Freiheit“. Die FDP bekennt sich zu Wachstum, soliden Finanzen und weniger Staat.

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