Bildung Professoren kritisieren: Studenten fehlt Basiswissen in Mathe

Schuld sei die neue Anwendungsorientierung im Schulunterricht. Sie führe dazu, dass der Stoff nur oberflächlich vermittelt werde.

Der Mathematikstoff selbst werde nur noch oberflächlich vermittelt, meinen gut 130 Professoren.

Der Mathematikstoff selbst werde nur noch oberflächlich vermittelt, meinen gut 130 Professoren.

Foto: Swen Pförtner

Düsseldorf. In einem offenen Brief haben rund 130 Professoren und Lehrkräfte den Mathematikunterricht in Deutschland massiv kritisiert. Der Schulstoff sei mittlerweile so weit ausgedünnt, „dass das mathematische Vorwissen von vielen Studienanfängern nicht mehr für ein WiMINT-Studium ausreicht“. WiMINT steht für Wirtschaft, Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.

In dem Schreiben heißt es: „Den Studienanfängern fehlen Mathematikkenntnisse aus dem Mittelstufenstoff, sogar schon Bruchrechnung (!), Potenz- und Wurzelrechnung, binomische Formeln, Logarithmen, Termumformungen, Elementargeometrie und Trigonometrie.“ Fast überall seien inzwischen zum Studieneinstieg „mathematische Alphabetisierungsprogramme notwendig“.

Als Ursache sehen die Unterzeichner die Kompetenzorientierung, die in der Folge der ersten Pisa-Studien in die Unterrichtsgestaltung Einzug gehalten hatte. Danach sollen Schüler Wissen nicht einfach nur reproduzieren, sondern auch anwenden können. Aus Sicht der Professoren ist das der falsche Weg: So seien „bewährte mathematische Ausdrucksweisen und abstrakte Aufgaben durch sperrige Textgebilde und konstruierte Modellisierungsaufgaben ersetzt“ worden. Der Mathematikstoff selbst werde nur noch oberflächlich vermittelt, der mathematische Kern in Abituraufgaben durch „einen (teilweise absurd konstruierten) Realitätsbezug“ verdeckt.

Die Unterzeichner fordern, der Unterricht müsse sich wieder an fachlichen Inhalten orientieren und symbolische, formale und technische Elemente der Mathematik sowie abstrakte Inhalte müssten wieder stärker gewichtet werden.

Der Brief ist unter anderem an die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU), Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) und Petra Stanat, Direktorin des Instituts zur Quallitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), gerichtet. Das IQB entwickelt und überrpüft bundesweite Bildungsstandards.

Gegenüber dem Berliner „Tagesspiegel“ wies Stanat die Kritik zurück. Es gebe bei Studenten zwar fehlende Basiskompetenzen. Das habe aber nichts mit der Kompetenzorientierung zu tun. Im Gegenteil: Bei der ersten Pisa-Studie 2000 seien die deutschen Ergebnisse in Mathematik schwach gewesen. Erst nach Einführung der Bildungsstandards „haben wir in Mathematik allmählich Leistungssteigerungen gesehen“.

Aus dem NRW-Schulministerium heißt es: „Die Einführung von Kernkompetenzen geht auf die Kritik nach Pisa zurück. Damals lautete der Vorwurf, dass Schülerinnen und Schüler nicht in der Lage wären, ihr Wissen auch anzuwenden.“ Die Kultusminister hätten darauf mit der Entwicklung von Bildungsstandards und Kernlehrplänen reagiert, so Sprecherin Barbara Löcherbach. „Das ist ein bundeseinheitlicher Prozess, der auch der besseren Vergleichbarkeit von Abschlüssen dient. Lehrpläne und Abituraufgaben verlangen beides: Fachwissen und Kompetenzen. Abituraufgaben können nicht ohne fundiertes Wissen gelöst werden.“

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