Paragraph 177: Ein „Nein“ der Frau soll ausreichen

Die Justizminister wollen eine Lücke im Strafgesetz-Paragrafen zur Vergewaltigung und sexuellen Nötigung schließen.

Paragraph 177: Ein „Nein“ der Frau soll ausreichen
Foto: Peter Steffen

Düsseldorf. Frauen sollen besser gegen Vergewaltigung und sexuelle Nötigung geschützt werden. Das haben die Justizminister der Länder beschlossen. Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) beklagt schon länger, dass nur die wenigsten sexuellen Übergriffe in Deutschland strafrechtlich geahndet würden. Täter dürften sich nach der geltenden Rechtslage wissentlich über den erklärten Willen hinwegsetzen. „Nein“ sagen reiche für eine Strafbarkeit nicht aus.

Nach § 177 Strafgesetzbuch macht sich ein Täter nur dann strafbar, wenn er Gewalt angewendet oder damit gedroht hat. Oder wenn er eine schutzlose Lage des Opfers ausgenutzt hat. Hat das Opfer — in den meisten Fällen ist es eine Frau — zwar „Nein“ gesagt, sich aber nicht gewehrt, so dass der Täter keine weitergehenden Zwangsmittel anwenden musste, kann er straflos ausgehen.

Der Verband bff hat in einer Fallanalyse mehr als 100 Fälle schwerer sexueller Gewalt untersucht. Es werde verkannt, so ein Fazit, dass physische Gegenwehr oder auch Flucht in solchen Situationen keineswegs natürliche Reaktionen seien. Typische psychische Reaktionen wie Schockstarre führten dann zur Straflosigkeit des Übergriffs. Auch gibt es Fälle, in denen der Täter von vornherein auf Überrumplung setzt und eine sexuelle Handlung etwa im Gedrängel vornimmt. Folge: Keine Gewalt, keine Drohung, keine Strafe.

Die Opferschutz-Organisation „Weißer Ring“ betont, die Folgen der bisherigen Gesetzeslage führten „bei den Opfern zu dem Eindruck, nicht geschützt und alleine gelassen zu werden“.

Dass die Justizminister sich so klar zur Neuformulierung des Strafparagrafen positionieren, hat auch etwas mit der im August in Kraft getretenen „Istanbul-Konvention“ zu tun. In dem Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen heißt es, dass die Mitgliedsstaaten dafür sorgen müssen, dass nicht einverständliche sexuell motivierte Handlungen bestraft werden müssen.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) wird sich nun an die Umsetzung des auch von ihm getragenen Beschlusses machen und einen Gesetzentwurf formulieren. Allerdings, so warnt er, bleibe das Problem, dass oft Aussage gegen Aussage stehe und es dann heiße: im Zweifel für den Angeklagten. Auf Beweisprobleme weist auch Thomas Fischer hin. Der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof hat sich mehrfach für die Beibehaltung der gegenwärtigen Regelung ausgesprochen. „Ich stelle mir vor, in welcher Lage sich ein Gericht befinden würde, das über ein ,Verbrechen’ entscheiden soll, welches darin bestanden haben soll, dass eine Person vor zwei Jahren von einer anderen Person einen Zungenkuss erhielt, den sie ,eigentlich’ nicht wollte. Und die auf die Frage, warum sie ihn dann geduldet hat, antwortet, sie sei erschrocken gewesen.“

Gegenüber dem Online-Portal „Legal Tribune“ beklagte der hohe Richter: „Das deutsche Sexualstrafrecht ist in den letzten 15 Jahren in einem Maß verschärft worden, das als beispiellos bezeichnet werden muss. Die Verschärfung hat als Welle des Verfolgungswillens die ganze Gesellschaft bis an die Grenze der Hysterie und teilweise darüber hinaus durchdrungen.“

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