"Ohrfeige" fürs Engagement: Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschlanddeutschland

Auszeichnungen: Für die Vergabe von Verdienstorden gelten strengere Kriterien - was zu Unmut bei den Betroffenen führt.

Wuppertal/Düsseldorf. Die Absage kam für Klaus Schulz "sehr überraschend". Der Wuppertaler hatte für den örtlichen Turnverband einmal mehr einen verdienten Ehrenamtlichen für ein Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen - aber diesmal eine Absage erhalten. Vorschläge bei ähnlich gelagerten Fällen, so erklärt der Sprecher des Ehrungsausschusses in dem Verband, seien in den vergangenen Jahren dagegen anstandslos akzeptiert worden. Hintergrund ist offenbar der Trend, an die Vergabe der Auszeichnungen strengere Maßstäbe anzulegen als früher.

Neue Richtlinien aus dem Bundespräsidialamt gibt es nicht. Allerdings werden die vorhandenen restriktiver als früher angewendet, um die Bedeutung der Auszeichnung zu erhöhen. Zuständig für die Bearbeitung der Anträge ist das Ordensreferat in der Staatskanzlei: Die Mitarbeiter dort erstellen die Vorschlagslisten des Ministerpräsidenten, die dann an das Bundespräsidialamt in Berlin weitergereicht werden. Dort fällt dann die endgültige Entscheidung.

Zum konkreten Wuppertaler Fall will man sich in der Abteilung aus Datenschutzgründen nicht äußern. Eine Mitarbeiterin erklärt aber, dass es seit Mitte der 90er Jahre eine Entwicklung gibt, die Vorschläge deutlich kritischer zu prüfen. Beim jährlichen Treffen von Vertretern aller Bundesländer in diesem Sommer habe das Bundespräsidialamt diese Linie nochmals bekräftigt.

Danach muss mehr als früher bei den Vorschlägen herausgearbeitet werden, welches besondere Verdienst der jeweilige Kandidat vorweisen kann. Mit ihm müsse ein ganz konkretes Projekt verbunden werden, sagt die Referatsmitarbeiterin. Früher reichte dagegen aus, dass jemand eine sehr lange Zeit ehrenamtlich tätig war. Folge war - so heißt es weiter - eine Ordensflut.

Dieser Trend hat sich umgekehrt, wie aus der Statistik des Bundespräsidialamtes zu ersehen ist: Wurden im Jahr 1991 noch mehr als 5000 Verdienstorden verliehen, so waren es im vergangenen Jahr noch 2300. In NRW, das als bevölkerungsreichstes Bundesland traditionell viele Ausgezeichnete hat, ist die Entwicklung analog.

Die Auszeichnung soll "wertvoller" werden, bestätigt der nordrhein-westfälische Regierungssprecher Andreas Krautscheid. Dies führe natürlich zu Veränderungen, das Ziel sei aber legitim. Bei betroffenen Bürgern regt sich dagegen Unmut: Es gibt Beschwerden von Antragstellern, deren Vorschlag verworfen wurde, heißt es aus der Behörde.

Auch Klaus Schulz kann die Absage nicht verstehen. Sein Verband hatte einen heute über 70-Jährigen für einen Verdienstorden vorgeschlagen, der mehr als 30 Jahre lang in einem Wuppertaler Verein engagiert war. In dieser Funktion hielt der Mann den gesamten Sportbetrieb aufrecht, galt als "die Seele des Vereins". Die Absage habe er daher "wie eine Ohrfeige" empfunden, sagt Schulz.

Auch in der Landespolitik ist das Thema mittlerweile angekommen. Der Landtagsabgeordnete Uwe Leuchtenberg (SPD) aus Tönisvorst ist mit einem ähnlichen Fall wie in Wuppertal befasst. Er sagt: Menschen, die sich lange ehrenamtlich engagierten, hätten eine Vorbildfunktion. Daher solle bei der Vergabe von Dienstorden "großzügig" verfahren werden, wenn Bürger viel für die Gemeinschaft getan hätten.

Derweil sind die Mitarbeiter im Ordensreferat durch eine neue Richtlinie bei der Ordensvergabe vor ganz andere Herausforderungen gestellt. Bundespräsident Köhler legt Wert auf eine stärkere Berücksichtigung von Frauen beim Bundesverdienstkreuz - seit Herbst vergangenen Jahres gilt, dass auf jeder Vorschlagsliste mindestens jeder dritte Vorgeschlagene weiblich sein soll. 1991 betrug der Frauenanteil bei der Ordens++verleihung noch 15,6 Prozent. Seit 1993 steigt er an - im vergangenen Jahr waren bereits fast ein Viertel aller Ordensträger weiblich.

Allerdings hält sich die Zahl der Kandidatinnen insgesamt noch in Grenzen: Dies liege laut Staatskanzlei einerseits an der Lebensplanung von Frauen, die wegen der Kindererziehung weniger kontinuierlich als Männer engagiert seien. Andererseits aber auch an den Frauen selbst: Sie seien einfach zu bescheiden.

Anregung Die Verleihung eines Verdienstordens kann jeder Bürger anregen. Dazu wird formlos die Staatskanzlei des Landes angeschrieben - möglich ist auch die Beantragung beim Bürgermeister. Es sollte allgemein die Verleihung eines Verdienstordens angeregt werden, ohne eine Festlegung etwa auf das Große Verdienstkreuz.

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