Obama stoppt Bushs Lieblingsobjekt

Der US-Präsident vollzieht eine dramatische Kehrtwende bei der US-Raketenabwehr. Überraschend ist sie nicht.

Washington. Mit dem Verzicht auf den umstrittenen Raketenschild in Polen und der tschechischen Republik hat US-Präsident Barack Obama eine klare Abkehr von der Rüstungspolitik seines republikanischen Vorgängers eingeläutet. Während die Entscheidung von Russland und Prag begrüßt wird, stößt sie in Warschau größtenteils auf Kritik. Die Oppositionspartei in Washington bleibt skeptisch.

Die Republikaner meinen, dass der außenpolitisch unerfahrene Präsident die vom Iran und anderen "Schurkenstaaten" ausgehende Gefahr eindeutig unterschätzt und die nationale Sicherheit der USA aufs Spiel setze.

Das landgestützte GMD System (Ground Based Midcourse Defense) zählte zu den Lieblingsprojekten von Ex-Präsident George W. Bush. Vorgesehen war in Polen die Stationierung von zehn mit sogenannten "Kill Vehicles" bestückten Abfangraketen, die von einem in Tschechien errichteten Radarsystem gesteuert werden sollten. Aufgabe der Anlage, die planmäßig 2011 den Betrieb aufgenommen hätte, sollte es sein, Interkontinentalraketen aus Iran und Nordkorea, die auf europäische Verbündete oder sogar amerikanisches Festland gerichtet sein könnten, abzufangen und zu zerstören. Aufgrund einer Neubewertung der vom Iran ausgehenden Gefahr eines nuklearen Raketenangriffs ist das Pentagon aber nun zu dem Schluss gelangt, dass der Raketenschild überholt sei. "Ich habe keine Sorgen mehr" erklärte VizePräsident Joe Biden. "Iran besitzt keine Fähigkeit, eine Langstreckenrakete auf die USA abzufeuern."

In einer gemeinsamen Pressekonferenz betonten Verteidigungsminister Robert Gates und James E. Cartwright, der stellvertretende Generalstabschef, dass die Regierung neue Prioritäten setzen wolle. Sowohl militärische als auch finanzielle Ressourcen müssten stattdessen in verstärktem Maße in akuten Krisenherde wie Afghanistan eingesetzt werden. Nur so sei eine effektive Bekämpfung des internationalen Terrorismus möglich.

Die Neuausrichtung der US-Rüstungspolitik zielt aber nicht nur auf höhere Effizienz im Kampf gegen den Terrorismus ab. Auch hofft Obama mit dem Verzicht auf den Raketenschild, Russland künftig für schärfere Sanktionen zu gewinnen, sollte der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinedschad wieder mit seinem Nuklearprogramm kokettieren, sich UN-Resolutionen widersetzen und Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA den Zutritt verweigern. Schließlich hatte der Kreml den Raketenschild als klare Provokation angesehen.

Bei ihrem jüngsten Treffen sollen Obama und Russlands Premier Dimitri Medwedjew bereits Einzelheiten des Baustopps besprochen haben. "Mit Blick auf die verbesserten Beziehungen zu Russland hat die Entscheidung zweifellos auch eine wichtige strategische Komponente", erklärte ein Regierungssprecher in Washington.

Anders sehen es die Republikaner, die Obamas Plänen bereits den Kampf angesagt haben. Sie verweisen auf die im Frühjahr von Iran und Nordkorea durchgeführten Raketentests. Iran habe damit bewiesen, dass es über ballistische Raketen verfügt, die Israel und Europa erreichen können. "Vor diesem Hintergrund sollten wir nicht den Raketenschild stoppen, sondern das Programm stattdessen ausbauen", erklärte der Abgeordnete Michael Turner. Auch andere Mitglieder der Opposition bekräftigten, dass sie versuchen werden, Obamas Pläne im Kongress zu torpedieren.

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