Wittke: Mit Vollgas ins Abseits

Wie der Minister beim Chef Jürgen Rüttgers in Ungnade geriet.

Düsseldorf. Es war eigentlich alles ganz anders geplant: Am Mittwochabend hatte Oliver Wittke (CDU) zusammen mit der SPD-Abgeordneten Heike Gebhard Bürger aus der gemeinsamen Heimatstadt Gelsenkirchen in den Landtag geladen, die Kellner karrten schon mehrere kleine Fässer Bier und andere Kaltgetränke heran.

Doch zumindest für Wittke wurde aus der fröhlichen Sause nichts: Kurz vor dem Treffen erklärte er seinen Rücktritt als Verkehrs- und Bauminister. Damit zog er die Konsequenz aus seiner Verkehrssünde vom November: Damals war er im sauerländischen Meschede mit Tempo 109 innerorts geblitzt worden und hatte für acht Wochen den Führerschein verloren.

Dieser Schritt kam völlig überraschend, auch für die eigenen Reihen. Noch am Vortag hatte die CDU-Fraktion eine Entschuldigung Wittkes freundlich und mit Applaus aufgenommen: Vor versammelter Mannschaft hatte sich Wittke reuig gezeigt und seine Verkehrssünde heftig bedauert.

Nur einer klatschte nicht und dachte sich seinen Teil: Jürgen Rüttgers ballte die Faust in der Tasche und war sauer. Das Prinzip Loyalität und Ehrlichkeit im Umgang miteinander sind feste Größen im System Rüttgers. Der unumstrittene Chef der Landespartei und Politik-Profi ist notorisch misstrauisch. Schenkt er aber Vertrauen, erwartet er das gleiche mit Zins und Zinseszins zurück.

Wittke aber hatte sich an diese Regeln nicht gehalten: Über seine Raserei und die Folgen hatte Rüttgers erst aus den Zeitungen erfahren. Und als am Mittwoch noch neue Details zum Leihwagen und dazu noch eine alte Temposünde bekannt wurden, senkte Rüttgers den Daumen.

Ausgerechnet Wittke: Immer hatte Rüttgers die Karriere des Jungspunds aus dem Ruhrgebiet wohlwollend begleitet, wenn nötig gefördert, im Zweifel auch gestützt. Als Wittke 1999 sensationell das tiefrote Rathaus von Gelsenkirchen für die CDU holte, galt er als Symbol für eine frische CDU, die sogar das Ruhrgebiet erobern konnte. Als Wittke dann fünf Jahre später recht schmählich wieder abgewählt wurde, sorgte Rüttgers dafür, dass Wittke schnell wieder in die Landespolitik zurückkehren konnte und sogar einen Kabinettsposten erhielt.

Auch als Wittke als Minister schnell das Amt mit Wichtigkeit verwechselte und munter drauflos schwadronierte ("Ich kann auch mit den Doofen") und Bürgermeistern Ortsumgehungen versprach, die die gar nicht wollten, hielt Rüttgers die Hand über ihn. Bis Mittwoch.

Am Donnerstag kann sich Wittke seinen Führerschein in Meschede wieder abholen, der achtwöchige Entzug ist beendet. Doch nun hat er keinen dicken Audi mehr zur Verfügung, sondern muss sich mit dem bescheidenen Opel Zafira begnügen.

Rüttgers hat ganz andere Probleme: Er braucht einen neuen Verkehrs- und Bauminister. Dem Fachpolitiker der Fraktion, Heinz Sahnen (62) aus Neuss, werden kaum Chancen eingeräumt. Als ministrabel gilt Hendrik Wüst (33). Doch der ist als Generalsekretär in Wahlkampfzeiten eigentlich unentbehrlich.

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