Wenn biedere Kämmerer zu Zins-Zockern werden

60 Städte und Gemeinden haben kräftig spekuliert.

Düsseldorf. Der Kollaps des Finanzmarkts geht auf die Gier und die Verantwortungslosigkeit in den Chefetagen der Banken zurück - so die allgemeine Lesart. Dass nicht nur bei Lehman Brothers, bei der Commerzbank oder der WestLB, sondern auch in den Rathäusern kräftig gezockt wird, wissen nur die wenigsten.

160 Städte und Gemeinden haben zuletzt zum Teil riskante Zinswetten abgeschlossen. Das ergab eine Umfrage des Steuerzahlerbundes NRW. Doch nur ganze fünf von ihnen sind dabei kräftig auf die Nase gefallen - nach eigenen Angaben.

Bocholt, Mülheim, Remscheid, Moers und Hagen haben Verluste erlitten - Remscheid verlor knapp 19 Millionen Euro, und der Rat wählte den Kämmerer ab; Hagen machte 28 Millionen Euro Miese, klagte gegen die Deutsche Bank als Vermittlerin des Geschäfts und verlor.

Aber die anderen Städte geben an, mit diesem Spekulationsmodell entweder keine Verluste (Ahaus) oder auch satte Gewinne gemacht zu haben (1,6 Millionen Euro, Wülfrath). So jedenfalls lautet die Selbsteinschätzung der meisten Städte und Gemeinden in NRW.

Doch so kompliziert das Konstrukt der Zinswetten, so kompliziert ist auch der Stand der Dinge in so mancher Kämmerei. Beispiel Neuss: Die wohlhabende Stadt am Rhein hat im Jahr 2005 einen Vertrag bis 2013 über 90 Millionen Euro mit der Deutschen Bank abgeschlossen, das Geld kam aus dem Bereich der Stadtentwässerung.

Damit schloss die Stadt eine Wette auf die künftige Zinsentwicklung ab. Dabei geht es um die Spanne zwischen den kurzfristigen (zwei Jahre) und den langfristigen Krediten (zehn Jahre). Bei einem großen Unterschied gewinnt die Stadt; ist er gering, verliert sie. Das war lange Zeit der Fall. Neuss hatte einen Verlust von sieben Millionen Euro. Doch seit einigen Wochen ist man im Rathaus wieder gut gelaunt: Die Zinsentwicklung ist wieder freundlich, derzeit liegt man im Plus.

Die Umfrage des Steuerzahlerbundes ist eine Momentaufnahme, die Verträge laufen vielerorts noch lange. Doch sie belegt eines: In den Rathäusern wurde kräftig gezockt.

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