Und wieder bewältigt die EU eine Krise – bis zur nächsten

Nach den Zugeständnissen an Irland wachsen die Chancen für den Lissabon-Vertrag.

Brüssel. Die Europäische Union ist wieder auf Reformkurs: Der EU-Gipfel einigte sich am Freitag auf Zugeständnisse an Irland, um dort eine zweite Volksabstimmung über den Vertrag von Lissabon zu ermöglichen. Der irische Premierminister Brian Cowen will seine Landsleute Anfang Oktober an die Urnen bitten. Er hofft, dass die neuen Spielregeln für mehr Demokratie und schnellere Entscheidungen in der EU diesmal angenommen werden.

Die Iren hatten das Vertragswerk vor einem Jahr abgelehnt. Dublin bekam Zugeständnisse zur Steuerpolitik, Neutralität und zum Abtreibungsverbot. "Da wir jetzt rechtlich verbindliche Garantien haben, hoffen wir nun auf ein Ja im neuen irischen Referendum", sagte der schwedische Regierungschef Fredrik Reinfeldt, der im zweiten Halbjahr die EU-Amtsgeschäfte leiten wird.

Der Lissabon-Vertrag kann nur in Kraft treten, wenn ihn alle 27Staaten billigen. Auch in Tschechien, Polen und Deutschland ist die Ratifizierung noch nicht abgeschlossen. "Lissabon" soll die EU mit 500 Millionen Menschen demokratischer und transparenter machen und nach bisherigem Fahrplan zum Jahresende in Kraft treten.

Ernste Sorgen macht der EU ein möglicher neuer Gaskonflikt der Ukraine und Russlands. "Wir müssen uns auf den schlimmsten Fall einstellen", sagte Barroso. "Es handelt sich um eine große Krise."

Anfang des Jahres hatte es wegen eines Streits zwischen dem Produzenten Russland und dem Transitland Ukraine wochenlange Lieferausfälle in Europa gegeben. Die EU sucht nun nach Wegen, Kiew zu helfen. Die Ukraine hat zur Abwendung eines neuen Gaslieferstopps aus Russland wegen ausstehender Zahlungen bei der EU drei Milliarden Euro Kredit beantragt.

Angesichts der zahlreichen Fast-Zusammenbrüche europäischer Banken und Rettungshilfen in Milliardenhöhe stellte die Gipfelrunde die Weichen für eine schärfere EU-Finanzaufsicht. Die EU nimmt Rücksicht auf britische Bedenken gegen zu großen Einfluss der Europäischen Zentralbank und Einmischung in die nationale Haushaltspolitik. Die EU will drei bestehende EU-Aufsichtsgremien für den Banken-, Versicherungs- und Wertpapiersektor zu Behörden aufwerten.

Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy zeigte sich zufrieden: "Das sind konkrete Ergebnisse." Kanzlerin Angela Merkel sagte: "Wir gehen die ersten Schritte, damit die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft in der globalen Ordnung verankert werden."

Hunderte Bauern nutzten den Gipfel, um ihrem Ärger über die niedrigen Milchpreise Luft zu machen. Dabei kam es in der Nacht zu gestern zu Krawallen. Der Protest zeigte Wirkung: Die Milchpreise kommen auf den Prüfstand; die EU-Kommission soll binnen zwei Monaten analysieren, was auf dem Markt los ist.

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