Gefälschter Lebenslauf Tritt Hinz wegen ihrer Diäten nicht ab?

Die falsche Juristin Hinz wird für die SPD immer unangenehmer: Sie kassiert weiterhin hohe Abgeordnetenbezüge. NRW-Justizminister Kutschaty redet jetzt Tacheles.

Petra Hinz hat ihre Rücktrittserklärung noch nicht eingereicht.

Petra Hinz hat ihre Rücktrittserklärung noch nicht eingereicht.

Foto: Sven Hoppe

Düsseldorf. Die Affäre Hinz wird für die SPD immer peinlicher: 13 Tage nachdem das Lügengebäude der Essener Bundestagsabgeordneten mit dem gefälschten Lebenslauf aufgeflogen ist, hat die 54-Jährige ihren angekündigten Mandatsverzicht immer noch nicht vollzogen. Das bestätigte ein Sprecher des Bundestags am Montag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf.

Demnach stünden der Hochstaplerin, die sich 30 Jahre lang als Juristin ausgab, jetzt auch noch für den Monat August insgesamt fast 14 000 Euro an Abgeordnetendiät und Aufwandspauschale zu. Darüber hatte zuvor auch die „WAZ“ berichtet. Der Essener SPD-Chef und nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) zieht jetzt die Notbremse. Am Montag fordert er die Parteifreundin unmissverständlich auf, endlich ihren Rücktritt zu erklären. Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, als wolle sie auch noch die Diät für September kassieren.

Welche Teile der Hinz-Biografie überhaupt stimmen, ist unklar. Auf ihrer aktuellen Homepage ist diese Seite leer. Die Pseudo-Juristin, die nach eigenen Angaben mal ein Sparkassen-Praktikum absolviert hatte, hat aber nicht mal Abitur. Am 20. Juli hatte sie über ihre Anwälte erklären lassen, sie werde als Konsequenz aus der Affäre ihr Mandat niederlegen, wolle dies aber in einem persönlichen Gespräch mit Bundestagspräsident Norbert Lammert tun. Der ist allerdings laut einer Sprecherin noch bis Mitte August im Urlaub.

Kutschaty, der den Vorsitz des krisengebeutelten Essener SPD-Unterbezirks erst im Mai übernommen hatte, reißt nun offenbar der Geduldsfaden. Es sei nicht nötig, auf ein Gespräch mit Lammert zu warten, stellt er fest. Hinz könne ihren sofortigen Rücktritt auch mit einer notariellen Erklärung besiegeln. Der Justizminister macht keinen Hehl mehr aus seiner Verärgerung und gewährt nun Einblick hinter die Kulissen der Affäre Hinz. Mit ihrer geschönten Biografie habe sie „sich selbst und der Partei großen Schaden zugefügt“, bekräftigt er. Noch am Tag, als er davon erfahren habe, habe er sie abends in einem Telefonat zum Rücktritt aufgefordert. Der lange Austausch, der bei Hinz sämtliche Facetten menschlicher Emotionen zum Ausbruch gebracht habe, habe leider nicht zum erwünschten Resultat geführt, ließ Kutschaty durchblicken.

„Am Tag danach habe ich dann auch öffentlich den Rücktritt gefordert - das hätte ich sonst nicht mehr getan.“ Die Staatsanwaltschaft Essen prüft unterdessen, ob Hinz' Höhenflug auch strafrechtliche Konsequenzen hat. Bislang lägen etwa ein Dutzend Anzeigen vor - überwiegend wegen Betrugs, teilte die Behörde der dpa mit. Die müssten nun geprüft werden. Kutschaty erläutert, der Beruf des Rechtsanwalts sei rechtlich geschützt. Dies gelte aber nicht für die Bezeichnung „Jurist“.

Die Staatsanwaltschaft prüft außerdem, ob Hinz sich mit ihrer Biografie-Fälschung auch finanzielle Vorteile verschafft hat, die strafrechtlich relevant wären. Am Abend will der Essener Unterbezirksvorstand der SPD über weitere Schritte beraten. Die Bandbreite reiche von einem zeitlich begrenzten Verbot, Parteiaufgaben wahrzunehmen, bis zum Parteiausschluss, erklärt der stellvertretende Vorsitzende Karlheinz Endruschat.

Kutschaty äußert sich skeptisch über einen Parteiausschluss. „Ob das eine Lösung ist, wage ich zu bezweifeln.“ Er hält es aber nicht für tragbar, dass Hinz noch immer Vorsitzende des Essener Ortsvereins Frohnhausen ist. Ihm sei nie aufgefallen, dass Hinz keine Juristin sei, bekräftigt der Politiker, der selbst jahrelang als Rechtsanwalt in einer Essener Kanzlei tätig war. Es habe aber auch wenig persönlichen Kontakt gegeben.

Eine Konsequenz will der Essener Parteichef aus der Affäre auf jeden Fall ziehen: „Ich schaue mir die Lebenläufe genauer an von denen, die wir für Wahlen nominieren.“ Zeugnisse will sich Kutschaty aber nicht vorlegen lassen. „Das widerstrebt mir. Basis muss Vertrauen sein.“

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