Streit um neue Fristen für Kirchenasyl

Die Innenminister wollen die Zeit für ein Zurückschicken in das Ersteintrittsland um ein Jahr verlängern. Die Kirchen lehnen den Beschluss ab.

Streit um neue Fristen für Kirchenasyl
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Düsseldorf. Einige Zeit schien Frieden zu herrschen in Sachen Kirchenasyl. Die im Juli 2015 zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und den Kirchen getroffene Vereinbarung hatte für ein auf beiden Seiten akzeptiertes Verfahren gesorgt, unter anderem durch die Vorlage eines Dossiers in jedem Einzelfall, um dem Bamf eine nochmalige Prüfung unter Einbeziehung aller Umstände zu ermöglichen. Doch inzwischen hat sich der Ton wieder verschärft. Ein Beschluss der Innenministerkonferenz wird auf kirchlicher Seite als massiver Angriff auf das Kirchenasyl verstanden.

Im Juni haben die Landesinnenminister beschlossen, die Überstellungsfrist nach der Dublin-Verordnung für Menschen im Kirchenasyl von bisher sechs Monaten um ein Jahr auf 18 Monate zu verlängern, wenn für die Behörden keine außergewöhnliche Härte erkennbar wird. Auch NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) steht hinter dem Beschluss: „Die Fristaufhebung bei Dublin-Verfahren ist ein wichtiges Ziel, das die Bundeskanzlerin in Gesprächen über die Asyl- und Einwanderungspolitik mit den anderen EU-Staaten bisher nicht erreicht hat“, sagte er dieser Zeitung. „Eine Lösung in diesem Punkt würde die Länder erheblich weiter bringen als die populistische Forderung der CSU über Rückweisungen an den deutschen Grenzen.“

Beim Kirchenasyl nehmen Gemeinden oder Ordensgemeinschaften Asylbewerber auf, die von Abschiebung bedroht sind. Die meisten Kirchenasyle betreffen Dublin-Fälle, die eigentlich in das EU-Ersteinreiseland zurück müssten. Wenn aber die Überstellungsfrist (bei Kirchenasyl bisher sechs Monate) abläuft, ist in der Regel Deutschland für den Asylantrag zuständig. Die Flüchtlinge leben in der Zeit auf Kirchengelände, weil die Gemeinden nach Einzelfallprüfung davon überzeugt sind, dass eine Abschiebung oder das Zurückschicken in das Transitland mit Gefahren für Leib und Leben oder unzumutbaren Härten verbunden wären. Polizei und Ausländerbehörde verzichten auf eine zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht.

Die katholische Kirche gewährt in NRW derzeit 16 Kirchenasyle mit insgesamt 32 betroffenen Personen. Im vergangenen Jahr waren es 38 Kirchenasyle mit Dossierverfahren. Deutlich mehr Fälle gibt es in der evangelischen Kirche. NRW-weit sind aktuell 114 Kirchenasyle bekannt; eine Meldeverpflichtung gegenüber der Landeskirche gibt es aber nicht. Die Fälle verteilen sich auf die rheinische Landeskirche (73), Westfalen (40) und Lippe (1).

Die Kirchen kritisieren vor allem, dass die Menschen im Kirchenasyl mit der Verlängerung auf 18 Monate bei der Überstellungsfrist nun gleichgesetzt werden mit abschiebebedrohten Flüchtlingen, die abtauchen. „Das ist unangemessen“, sagt Antonius Hamers, Leiter des Katholischen Büros NRW, das die Fälle aus den katholischen Gemeinden sammelt und landesweit zentraler Ansprechpartner für das Bamf ist. „Wir halten uns streng an die Vereinbarung mit dem Bamf und verstecken die Leute nicht, sondern spielen mit offenen Karten.“

Zudem seien immer die Rechtsabteilungen der Generalvikariate eingebunden, in Einzelfällen auch eine externe Rechtsberatung, um zu prüfen, wie aussichtsreich das Kirchenasyl ist und welche Alternativen es gibt. „Wir wollen bei den Betroffenen nicht unnötigerweise Hoffnungen wecken und das Kirchenasyl auch nicht politisch instrumentalisieren lassen.“ Aber es sei ein wichtiges Instrument, um schwierige Fälle zu überprüfen.

Auch Thomas Weckelmann, Hamers’ Amtskollege auf evangelischer Seite, sagt klar: „Wir lehnen den Beschluss der Innenministerkonferenz ab.“ Der kirchliche Schutz sei immer „Ultima Ratio“ und kein Instrument, „um flächendeckend Flüchtlinge proaktiv ins Kirchenasyl zu lotsen“. Wenn aber die Frist bis zu einer sicheren Verfahrensabwicklung in Deutschland so drastisch verlängert werde, „ist unsere große Befürchtung, dass Gemeinden eher dazu neigen, Kirchenasyl von Vornherein auszuschließen“.

Für Minister Stamp darf Kirchenasyl „nur in absoluten Ausnahmefällen dazu führen, dass ein Fall noch einmal neu geprüft wird. Nicht akzeptabel ist, wenn Kirchenasyl instrumentalisiert wird, um gezielt die Dublin-Fristen verstreichen zu lassen, damit die Rücküberstellung in das Transitland über diesen Weg umgangen wird. Das kann ein Rechtsstaat nicht hinnehmen.“ Wenn das Bamf einen Härtefall feststelle, so das Ministerium, werde das Asylverfahren in Deutschland durchgeführt. Aber andernfalls müssten auch Kirchen die Entlassung aus dem Kirchenasyl prüfen. Die Verlängerung der Frist sei daher sinnvoll. Ob sie im Einzelfall dann wirklich in Betracht komme, entscheide das Bamf, ebenso, wann es mit dem neuen Verfahren beginne.

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